Fatepur Sikri – “Geisterstadt” des Großmoguls

Fatehpur Sikri, eine historische Stadt im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, wurde im späten 16. Jahrhundert von dem Mogulkaiser Akbar erbaut und diente für kurze Zeit als Hauptstadt seines Reiches. Die Stadt liegt etwa 40 Kilometer westlich von Agra und ist ein beeindruckendes Beispiel für die Mogularchitektur, die eine Mischung aus indischen, persischen und islamischen Stilelementen darstellt. Trotz ihrer Pracht war die Stadt wegen Wasserknappheit nur rund 14 Jahre lang besiedelt und wurde schließlich aufgegeben, als der Hof nach Agra zurückkehrte. Heute ist die Lost City Fatehpur Sikri ein UNESCO-Weltkulturerbe.


Geschichte der “Lost City”

Zwischen 1570 und 1586 diente Fatehpur Sikri als Hauptstadt und königlicher Palast des Großmoguls Akbar. Die Stadt wurde als visionäres Zentrum konzipiert, das sowohl religiöse als auch politische Bedeutung hatte.

Charakteristisch für Fatehpur Sikri war die harmonische Integration von Wasseranlagen, Gärten und weitläufigen Plätzen, die durch prächtige Paläste, Harems und Höfe das Leben am Hof eindrucksvoll widerspiegelten. Der Palastkomplex wurde zudem durch die imposante Jama Masjid-Moschee ergänzt, die einen zentralen religiösen und kulturellen Mittelpunkt bildete.

Die Mogularchitektur, also die Mischung aus hinduistischer, persischer und indo-islamischer Architektur zeigt, dass der Mogulkaiser Akbar politisch tolerant war. Es gibt eine Legende, wonach der in Sikri lebende Scheich und Sufi-Mystiker Salim Chisti dem Großmogul vorausgesagt hatte, dass ihm drei Söhne als Erben geboren werden. Als das dann tatsächlich eintrat, ließ Akbar Fatehpur, die Stadt des Sieges, erbauen. Die Stadt musste aufgrund von Wassermangel 1585 aufgegeben werden und wurde in der Folgezeit fast vollständig geplündert.


Die “Lost City” heute

Überreste der einstigen Stadt sind heute verfallene Karawansereien, zerfallene Hamams sowie zerstörte Marktplätze und Straßen. Auch achteckige Brunnen und Wasserkanäle, die einst das Herz der Palastanlagen bildeten, gehören zu den verbliebenen Zeugnissen der Vergangenheit.

Die einzigen weitgehend intakten Bauwerke inmitten der Ruinen sind der kaiserliche Palastkomplex und der Moschee-Komplex. Gerade diese machen Fatehpur Sikri jedoch besonders interessant: Die Stadt ist eine nahezu perfekt erhaltene, prächtige Mogul-“Geisterstadt”, die einen eindrucksvollen Einblick in das Leben zur Blütezeit der Mogulherrschaft bietet – und ist daher zu Recht ein UNESCO-Weltkulturerbe.

Zu verdanken ist dies vor allem Lord Curzon, dem Vizekönig von Indien von 1899 bis 1905. Denn dieser hatte die entscheidenden Restaurierungsarbeiten initiiert und durchführen lassen. Dadurch ist Fatehpur Sikri heute vielleicht die am besten erhaltene “Geisterstadt” der Welt.

Die Atmosphäre in der verlassenen Stadt ist unvergleichlich, fast schon unheimlich: Der Wüstenwind weht leise durch die filigranen roten Sandsteinpaläste der Geisterstadt. Die dunklen Öffnungen des Säulenpavillons, wie etwa beim Panch Mahal, wirken, als würden sie den Besucher mit leeren Augen anstarren.

Hier herrscht Ruhe, ohne die Hektik oder aufdringlichen Händler, wie man sie am deutlich bekannteren und stark besuchten Taj Mahal findet. Das gemächliche Schlendern durch die eigentümlich skelettierten Palastanlagen ist ein einzigartiges Erlebnis.

Eine für indische Verhältnisse fast unheimliche Stille, ja fast eine andächtige Atmosphäre, liegt in der Luft. Neben uns sind überwiegend indische Familien unterwegs, wobei die Frauen in ihren leuchtenden, farbenfrohen Saris einen reizvollen Kontrast zu den roten Sandsteingebäuden bilden.


Jami Masjid Moschee

Das größte Highlight von Fatehpur Sikri ist vermutlich die beeindruckende Jami Masjid, eine der größten Moscheen in Indien.

Deren großer Freiluft-Gebetsplatz ist von Bogengängen mit flachen Dächern umgeben und besitzt im Süden und Osten zwei riesige Tore.

Das Grabmal von Salim Chisti ist das zentrale Heiligtum des Jami Masjid-Komplexes. Das Grabmal ist heute genauso beliebt wie damals und deshalb besonders prächtig gestaltet.

Die Grabkammer ist mit einem Baldachin aus Perlmutt und Sandelholzintarsien geschmückt und von eleganten Marmorstreben sowie einem nahezu transparenten Gitterwerk umgeben. Das Mausoleum gilt als Ort, an dem sich Kinderwünsche erfüllen lassen. Noch heute binden Menschen Bindfäden an das Gitterwerk in der Hoffnung, dass der Heilige ihre Gebete erhören wird.


Panch Mahal Palast

Der Panch Mahal ist ein offener, fünfstöckiger Palast, der elegant in die Höhe ragt und einen Panoramablick auf die Umgebung bietet. Er wurde von dem Großmogul Akbar gebaut und hauptsächlich von den Königinnen und den anderen Hofdamen als Vergnügungspalast genutzt.

Die insgesamt fünf Säulenpavillons aus rotem Sandstein sind durch Treppen miteinander verbunden, wobei die Pavillons immer kleiner werden. Im Erdgeschoss tragen insgesamt 84 Säulen das Gebäude.


Ankh Micholi Treasury

Der gewölbte Pavillon aus rotem Sandstein, auch als Chhatri („Regenschirm“) bekannt, besticht durch seine besondere Schönheit. Die geschwungenen Streben, sogenannte Toranas, ragen in einem 45-Grad-Winkel aus dem Kopf eines mythischen Steinmonsters am achteckigen Schaft hervor und treffen sich unter der Mitte jedes Sturzes.

Dieser Pavillon ist Teil des Palastkomplexes und diente vermutlich als Ort für Freizeitaktivitäten und Unterhaltung am Hofe. Der Name „Ankh Micholi“, was auf Hindi „Versteckspiel“ bedeutet, deutet darauf hin, dass hier vor allem Spiele und Amüsements für die Frauen des königlichen Harems stattfanden.


Diwan-i-Khas

Diwan-i-Khas (Privataudienzsaal) ist eines der am besten erhaltenen und intakten Monumente in der verlassenen Stadt von Fatehpur Sikri.

Das Gebäude wurde im 16. Jahrhundert von Mogul Akbar erbaut und besticht durch eine elegante Mischung aus hinduistischer, persischer und indo-islamischer Architektur.

Sein Herzstück ist die beeindruckende Pfeilerhalle, deren Säulen sind mit schönen Schnitzereien verziert sind. Auch die Wände sind mit Einlegearbeiten aus Marmor und Edelsteinen verziert, was dem Raum einen ausgesprochen opulenten Look verleiht.

Hier befindet sich auch der berühmte “Thronpfeiler”, auf dem früher der “Pachisi-Spieltisch” stand. Zur Erklärung: Ein Pachisi-Spieltisch ist ein spezieller Spieltisch, der für das traditionelle indische Brettspiel Pachisi entworfen wurde. Er gilt als Vorläufer des westlichen Spiels “Mensch ärgere dich nicht” und ähnlicher Spiele.


Hiran Minar

Laut Überlieferung soll sich unter dem Hiran Minar (Wild-Minarett) ein Denkmal für Akbars Lieblingselefanten befinden, der jedoch außerhalb des Forts beigesetzt wurde. Aus dem 21 Meter hohen Turm ragen steinerne Elefantenzähne hervor. Von diesem Aussichtspunkt aus soll Akbar auf Wildtiere geschossen haben, die man zuvor vor den Turm gescheucht hatte.


Jodha-Bai-Palast

Der Jodha-Bai-Palast wurde im 16. Jahrhundert von Kaiser Akbar für seine Rajputen-Königin Jodha Bai gebaut. Der Bauwerk hat eine kunstvoll verzierte Fassade, viele Chhatris (kuppelartige Pavillons), Jali-Arbeiten (durchbrochene Bildhauerei) und Balkone mit Säulen.

Das ist eine gelungene Verschmelzung von Gujarati- und Rajputen-Architektur mit islamischen Elementen. Das zentrale Pavillondach mit den azurblauen, glasierten Ziegeln ist ein echter Hingucker.

Im Inneren des Palastes gibt es eine Reihe von Zimmern und Hallen, die architektonisch raffiniert gestaltet sind.


Haus von Raja Birbal

Das Haus von Raja Birbal ist ein kleiner, aber besonders eleganter Palast. Victor Hugo hat diesen Bau mal als “sehr kleinen Palast” oder “sehr große Schmuckkassette” beschrieben. Im Eingangsbereich fallen vor allem die reich verzierte Dachkapitelle auf.

Der Palast besteht aus mehreren Räumen mit kunstvollen Verzierungen. Vermutlich wurden sie als Wohnräume für Raja Birbal und seine Familie genutzt.

Raja Birbal war ein Berater des Mogulkaisers Akbar und befehligte die Armee am Hofe des Mogulreiches. Es heißt, dass der Mogul Akbar und sein politischer Berater Raja Birbal auch persönlich ein gutes Verhältnis hatten und Akbar ihm diesen Palast bauen ließ.

Birbal war vor allem für seine lustigen Volksmärchen bekannt. So sind die Geschichten von “Akbar und Birbal” ein Teil der indischen Folklore, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden.



Fazit

Die einzigartige, verlassene “Geisterstadt” Fatehpur Sikri ist ein faszinierendes Reiseziel, das sich hervorragend in eine Rundreise durch Rajasthan einfügt. Als ehemalige Hauptstadt des Mogulkaisers zeichnet sie sich durch ihre vergleichsweise ruhige Atmosphäre aus und ist weniger touristisch überlaufen als viele andere Orte in Rajasthan, was ihr einen besonderen Charme verleiht.

Die weitläufigen Höfe und Paläste, eine harmonische Mischung aus hinduistischer und islamischer Architektur, sind hervorragend erhalten und laden dazu ein, in die Zeit des Großmoguls Akbar einzutauchen. Ganz besonders eindrücklich bleibt jedoch die etwas unheimliche Stimmung dieser Geisterstadt in Erinnerung. Prädikat: Besonders erlebenswert!


© Text & Fotos:  Jörg Baston