Mandawa: Stadt der Havelis
❂ Die Kleinstadt Mandawa in Rajasthan gilt als “Juwel der Shekhawati-Region” ❂ Die im Jahre 1765 gegründete, charmante Stadt ist bekannt vor allem für ihre zahlreichen, kunstvoll gestalteten Villen. Aufgrund ihrer architektonischen Pracht ist die Stadt auch ein beliebter Drehort für viele Bollywood-Filme.
Mandawa ist ein Ort der kulturellen Opulenz, wo Geschichte, Kunst und Tradition miteinander verschmelzen. Die zentrale Lage zwischen Delhi, Bikaner und Jaipur macht ihn zu einem praktischen Zwischenstopp auf Rundreisen durch Rajasthan, sodass immer mehr Touristen hierherkommen. Allerdings ist deren Zahl noch überschaubar, sodass es noch nicht schwerfällt, diese Stadt authentisch kennenzulernen.
Historischer Herrenhäuser
Es gibt viel zu sehen in Mandawa! Doch auf die Stadt selbst, ihre Straßen und “Street Stalls”, ihre Brunnen und Basare … – darauf komme ich etwas später zu sprechen.
Berühmt ist Mandawa vor allem für ihre außerordentlich prächtigen Havelis.
Hierbei handelt es sich um kunstvoll gestaltete, mehrstöckige Herrenhäuser, die von wohlhabenden Handelsfamilien erbaut wurden. Nirgendwo sonst in Rajasthan findet man eine derart große Anzahl.
Man kann salopp sagen: Was den Maharadschas ihre Paläste, war den Kaufleuten ihre Havelis. Von den im 18. und 19. Jahrhundert in Mandawa erbauten Häusern sind noch 92 vorhanden.
Die Shikhawati Region um Mandawa hat außerdem die weltweit größte Konzentration an Wandfresken. Wir fanden diese historischen Villen zum Teil sogar beeindruckender als die diversen Paläste in Rajasthan.
Diese wunderbar bemalten Havelis, heute ein Synonym für die Stadt Mandawa, wurden nicht nur gebaut, um der eher rauen Wüstenumgebung Farbe und Fröhlichkeit zu verleihen. Sondern auch als sichtbares Zeichen für Wohlstand und Erfolg der jeweiligen Bauherren.
Ein zentrales Merkmal von Havelis sind die Innenhöfe, die von den Wohnräumen umgeben sind. Diese bildeten damals den Mittelpunkt des alltäglichen häuslichen Lebens der Großfamilien.
Sowohl die Innenhöfe als auch die Innenräume der Havelis sind mit Fresken und Wandmalereien übersät, die mythologische Szenen, Porträts, Tiere und geometrische Muster darstellen. Teilweise finden sich in den Fresken auch westliche Einflüsse wieder.
Zahn der Zeit
Die meisten Händlerfamilien wohnen und arbeiten heute in den großen Städten, daher verfallen viele Familienpaläste nach und nach.
Doch auch dieser morbide Charme ist auf seine Art durchaus faszinierend.
Bewohnt werden diese leider runtergekommenen Havelis oft dennoch ….
…. von “Wächtern” oder fremden Familien.
Manche der leerstehenden großen Villen wurden so kurzerhand von “Hausbesetzern” okkupiert, die Touristen gegen Eintrittsgeld eine Besichtigung ermöglichen. Alles sehr imformell, natürlich.
Andere Havelis wiederum strahlen dank der Übernahme und Restaurierung durch Hotels wiederum in frischem Glanz.
Zum Abschluss des Berichts werde ich Ihnen ein Haveli-Hotel vorstellen.
Zunächst begeben wir uns auf die Straßen und erkunden die Gegend.
Die Stadt Mandawa
Mandawa war vom 18. bis ins beginnende 20. Jahrhundert ein wichtiger Handelsposten an der alten Seidenstraße. Karawanen zogen damals von Zentralindien bis in den Vorderen Orient und beförderten Waren wie Stoffe und Gewürze auf dem Rücken von Kamelen und Dromedaren.
Wasserstellen & Brunnen
Die teilweise kunstvoll gestalteten Wasserstellen für Wüstentiere sind heute noch am Rande von Mandawa zu besichtigen. Insbesondere in trockenen und ariden Gebieten wie Rajasthan spielen diese Brunnen auch heute noch eine große Rolle. Man findet sie meist an Karawansereien – das waren früher ummauerte Herbergen an Karawanenstraßen.
Reisende konnten dort mit ihren Tieren und Handelswaren sicher nächtigen und sich mit Lebensmitteln versorgen. Große Karawansereien dienten zugleich als Warenlager und Handelsplatz für Im- und Exportwaren.
Sie ragten in der Regel mit ihren vier Türmen inmitten des Ortes empor – daran konnten sich die Karawanenführer orientieren, wenn sie aus der Wüste kamen und nach dem Weg zur Wasserstelle suchten.
Natürlich ist das Wasser auch für die hier lebenden Menschen von entscheidender Bedeutung. Die lokalen Brunnen erfreuen sich jedenfalls großer Beliebtheit.
Traditionell wurden in Rajasthan oft Stufenbrunnen verwendet, mit denen man zum Grundwasser gelangt.
Aufgrund der stufenartigen Bauweise dieser “step wells” variiert die Oberflächengröße je nach Wasserstand. Manche sind derart riesig, dass sie eine doppelte Funktion haben: als Wasserquelle und als sozialer Treffpunkt. Eines der wohl beeindruckendsten Beispiele ist der hier abgebildete “Chand Baori Stepwell” im Dorf Abhaneri in Rajasthan.
Aber es gibt auch andere, die überaus bedeutend sind. Welches die 7 wichtigsten Bauwerke dieser Art sind, lesen Sie hier. Grundsätzlich sind diese Stufenbrunnen schon allein für sich eine Sehenswürdigkeit, denn sie leisten laut Wikipedia einen “einzigartigen Beitrag zur Weltarchitektur“.
Bummel durch Stadt
Die Straßen von Mandawa sind gesäumt von bunten Basaren, die eine Fülle von handgefertigten Textilien, traditionellem Kunsthandwerk und lokalen Produkten präsentieren.
Ein Spaziergang durch das Städtchen ermöglicht es dem Besucher, die lebendige Kultur und vor allem die Bevölkerung hautnah zu erleben.
Überall ist es bunt, mal dezent, mal geradezu schreiend, aber immer fröhlich! Vor allem die Saris der Damen spielen hier in einer eigenen Liga!.
Auch heute noch versprüht die Stadt Mandawa einen ländlichen Charme.
Hier gibt es zum Beispiel noch die traditionellen Barbiershops, die von erfahrenen Friseuren betrieben werden. Auch wenn die Instrumente sicherlich nicht dem neuesten Stand entsprechen, schneiden tun sie allemal.
Übrigens: Barbiersalons dienen, wie bei uns auch, auch als sozialer Treffpunkt. Man kommt nicht nur etwa zum Haareschneiden hierher, sondern auch um sich einfach auszutauschen.
Verkehrschaos in Mandawa
Auch die Fortbewegung durch die Stadt ist eher traditionell und lokal geprägt. Die gängigsten Verkehrsmittel sind Auto-Rickshaws, auch als Tuk-Tuks bekannt, die eine kostengünstige und praktische Option für kurze Strecken bieten.
Für längere Strecken können Busse genutzt werden, auch wenn das öffentliche Verkehrsnetz in ländlichen Gebieten nicht so gut entwickelt ist wie in größeren Städten.
Grundsätzlich sind die Straßen von Mandawa etwas chaotisch, insbesondere für Besucher, die nicht an die örtlichen Verkehrsgepflogenheiten gewohnt sind. Die Verkehrsdichte und schmalen Straßen tragen zu dieser Wahrnehmung bei.
Neben motorisierten Fortbewegungsmitteln sind auch uralte Methoden wie Kamelkarren und Esel Teil des Fortbewegungsspektrums.
Fahrrad-Rickshaws sind ebenfalls häufig anzutreffen und tragen zu einem lokalen, authentischen Erlebnis bei.
Historische Hotel-Havelis
Wie eingangs erwähnt: Hier, in Mandawa, wurden einige Bollywood-Filme produziert, denn was wäre besser als Drehort geeignet, als ein historisches Haveli? Unsere Villa jedenfalls, in der wir uns einige Nächte einquartiert haben, ist eine grandiose Filmkulisse – ganz gleich, wohin man blickt…
Im Hotel Radhika Haveli zu übernachten, entführt den Gast unmittelbar in das charmante Flair des 19. Jahrhunderts. Das gesamte Haus einschließlich der Zimmer und des Restaurants sind während der letzten Jahre liebevoll restauriert worden.
Wohlgemerkt: hier nächtigt man nicht in einer 5-Sterne-Unterkunft, sondern in einem “Gästehaus”.
Doch angesichts dieser innenarchitektonischen Pracht fühlen wir uns wie in einem Luxushotel.
Jedes einzelne Wandgemälde verdient Aufmerksamkeit. Mir ist, als würde ich durch ein gigantisches Museum spazieren.
Wie die meisten Villen in Mandawa wurde auch dieses Haveli irgendwann zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert erbaut, als die Stadt ein blühendes Handelszentrum war. Hier ein Blick in die historische Halle, die heute die Lobby ist.
Auch das ist für uns “Incredible India”…!
Redaktion: Nathalie Gütermann & Jörg Baston. Fotos: Jörg Baston
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