Omans Bergdorf-Juwel: “Misfah al Abriyyin”
Für viele Oman-Besucher ist “Misfah” das schönste Dorf im Sultanat. Berühmt ist diese Bergoase für seine traditionellen Lehmziegelhäuser, die sich dramatisch an die überhängenden Klippen des Hajar-Gebirges schmiegen. Unterhalb dieser entzückenden Ortschaft liegen Dattelpalmen und Bananenplantagen in der Sonne, gespeist vom Falaj-Bewässerungssystem – einem technischen Wunderwerk, das seit Jahrhunderten mit Erfolg genutzt wird.
Auf einer Höhe von etwa 1.200 Metern über dem Meeresspiegel gelegen, ist Misfah al Abriyyin, kurz “Misfah”, für seine einzigartige Landschaft, seine traditionelle Architektur und seine überaus entspannte Atmosphäre bekannt. Das pittoreske Bergdorf liegt oberhalb der Stadt Al Hamra, etwa 200 Kilometer von der Hauptstadt Maskat entfernt. Wer ein außergewöhnliches und authentisches Erlebnis im Oman sucht, ist hier genau richtig!
Von Maskat aus ist Misfah über eine gut ausgebaute, asphaltierte Straße zu erreichen. Über Serpentinen schlängelt sich die Fahrbahn über neun Kilometer hinweg einen steilen Berg hinauf und mündet schließlich auf einer Hochebene mit Parkplatz. Hier muss man sein Auto abstellen, denn Misfah darf nur zu Fuß betreten werden.
Deshalb unser Hinweis: Denken Sie an festes Schuhwerk, da die Umgebung des Dorfes sehr hügelig ist und auch die Pfade innerhalb des Dorfs unbefestigt, ungepflastert und zum Teil auch steinig sind.
400 Jahre altes Dorf
Es gibt einige historische Dokumente, darunter eine Reisebeschreibung aus dem 17. Jahrhundert, die Misfah erwähnen. Schon damals gehörte das alte Dorf mit seiner omanischen Bergarchitektur, den engen Gassen und gut erhaltenen Stein- und Lehmhäusern zu den charmantesten Orten im Sultanat.
Die immer noch bewohnten Häuser schmiegen sich mal malerisch und mal ein wenig abenteuerlich an die steilen und schroffen Felswände. Kein Wunder, dass die idyllische Bergoase das Lieblingsdorf des früheren Sultan Qaboos gewesen sein soll.
Die dunkelgrün schimmernden Dattelpalmen und blühenden Terrassenfelder – bewässert durch unzählige schmale Kanäle – bilden einen faszinierenden Kontrast zu den kargen Bergketten in der Umgebung.
UNESCO-Welterbe: Falaj-Bewässerung
Tatsächlich ist Misfah einer der wenigen immergrünen Orte im Oman, was das Dorf mehreren Quellen zu verdanken hat. Wir wollten mehr über das Feuchtsystem und die Speisung der Landschaft wissen und begaben uns geradewegs zu den Palmengärten. Dank mehrerer Wegmarkierungen gelangten wir zum ausgeklügelten Falaj-Bewässerungssystem, das hier überall noch intakt ist.
Diese uralte Bewässerungsmethode ist tief im omanischen Erbe verwurzelt. Das Wort “Falaj” stammt aus dem Arabischen und bedeutet “sich aufteilen”, was sich auf die effiziente Verteilung des Wassers bezieht. Über 3.000 Falajs sind heute noch in Betrieb. Aufgrund ihrer einzigartigen Historie sind sie in der UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden.
Das Prinzip ist denkbar einfach und doch sieht’s von außen betrachtet recht kompliziert aus. Falajs zapfen in der Regel unterirdische Wasserquellen an, die sich hoch oben in den Bergen befinden. Über eine Reihe von unterirdischen Tunneln, jeweils mit einem sanften Gefälle versehen, wird dann das Frischwasser durch die eigene Schwerkraft zu den terrassierten Feldern und Siedlungen im Tal geleitet – ohne jegliche Fremdenergie.
Es handelt sich hier also um einen ausschließlich natürlichen Vorgang, der dieses System im Endeffekt unglaublich effizient und nachhaltig macht. Ohne besondere Ingenieurskunst. Dorfbewohner nutzen das kühle Bergwasser oft und gerne auch als Trinkwasser und füllen es für den Hausgebrauch in Kanister ab.
Übrigens gibt es noch ein zweites Dorf, wo man das alte Bewässerungssystem ebenfalls sehen kann, und zwar im berühmten Ruinenstädtchen Birkat Al Mouz. Darüber berichten wir in diesem separaten Artikel mit Fotogalerie.
Fruchtbares Berg-Idyll
Fakt ist: Die Landschaft, in der wir gerade spazieren gehen, sieht dank der regelmäßigen Bewässerung wirklich aus wie in ein omanischen Garten Eden: Sattgrüne Felder, auf denen Gemüse, Reis und Obstbäume gedeihen, wechseln sich ab mit Kokospalmen und Bananenplantagen. Gelegentlich treffen wir auf ein paar Landarbeiter, die ihre “Fracht” über schmale Pfade oder direkt auf den befestigten Falaj-Kanälen balancieren.
Misfah ist in jeder Beziehung ein Ort der Ruhe und landschaftlichen Schönheit. Überall hängen pralle gelbe Bananen an ihren blassgrünen Stauden, reife Datteln fallen vor unserer Nase von den Palmen, und wer genau hinsieht, entdeckt auch Feigen und rot leuchtende Granatäpfel. All dies sorgt für den einmaligen Oasen-Charme in dieser wild-romantischen ariden Umgebung, die allerorts von den schroff aufragenden Felsen des Hajar-Gebirges eingerahmt werden.
Was für eine einmalige Kulisse! Deshalb können wir Ihnen einen ausgedehnten Spaziergang quer durch das Bergdorf Misfah wärmstens ans Herz legen.
Rundgang ums Dorf
Wir beginnen unsere Tour direkt hinter dem Dorfkern, auf den wir gegen Ende des Berichts noch näher eingehen.
Nicht zu verfehlen ist das “Misfah Old House”, das – wie der Name schon sagt – ein uraltes omanisches Lehmhaus ist. Wer auf der Suche nach einem authentischen Erlebnis ist und gerne mal in einem traditionellen Lehmhaus wohnen möchte, kann hier ein einfaches Zimmer buchen. Ein kurzer Rundgang, danach geht’s über Stock und Stein zu engen Pfaden hinunter.
Man würde sich glatt verirren, wären da nicht die rot-weiß-gelben Markierungen auf Felsvorsprüngen.
Wir haben bereits eine gute Stunde Fußweg hinter uns, deshalb gönnen wir uns erst mal eine kleine Verschnaufpause am Wegesrand.
Auf unserem Wanderplan steht noch der “Misfah Tower” – ein Wachturm, der früher ein Teil der alten Befestigungsanlage des Dorfes war. Der Turm ist aus Lehmziegeln gebaut und hatte einst mehrere Stockwerke.
Die Ruinen stehen noch, aber eine Besteigung von innen ist wegen des baufälligen Turms nicht empfehlenswert.
Das Bergdorf Misfah
Über steile Treppen begeben wir uns schließlich wieder hinauf in den Dorfkern.
Es ist bereits später Nachmittag und langsam versteckt sich die Sonne hinter den Baumwipfeln und den Bergspitzen der Hajar-Gebirgskette.
Zeit für einen Kaffee oder Tee in einem der schönen alten Lehmhäuser. Unser Tipp: Begeben Sie sich auf diese Felsnadel, wo sich ganz oben der “Halwa Coffee Shop” befindet. Er gehört zum “Hissen Al-Misfah”-Gästehaus, in dem wir gegen Abend nochmals einkehren wollen.
Doch zunächst lassen wir noch die fantastische Dorfatmosphäre auf uns wirken. Hier, in Misfah al Abriyeen, fühlen wir uns an jeder Ecke wie Protagonisten in einem Spielfilm, der im Altertum spielt. Ich bin sicher: gleich kommt Ben Hur um die Ecke!
Eines der faszinierendsten Merkmale ist die traditionelle Lebensweise, die in dieser Ortschaft noch wie anno dazumal gelebt wird. Touristen werden daher gebeten, die Privatsphäre der hier lebenden Dorfbewohner zu respektieren.
Der Spaziergang durch die seelenruhigen Gassen hat schon fast etwas Biblisches an sich. Kaum ein Tourist begegnet uns, nur ein paar Einheimische.
Shoppingmöglichkeiten gibt’s nicht – also weder eine Mall noch Boutiquen aller Art – dazu ist der Ort viel zu klein. Hingegen findet man ein paar Lebensmittelläden sowie den ein oder anderen Geschenke- & Souvenirshop, versteckt zwischen verwinkelten Lehmhäusern!
Misfah by Night
Die Stadt Al Hamra ist nicht weit entfernt, doch lautet unser Tipp: Um den Charme von Misfah al Abriyeen mit all seinen Facetten zu genießen, sollten Sie zumindest eine Nacht hier verbringen.
Es gibt kleine Gästehäuser, Hostels und Cafés, die so entzückend sind, dass sich wenigstens ein kurzer Aufenthalt mit einer “overnight” in diesem Bergdorf lohnt.
Denn gerade bei Dunkelheit strahlt dieser Ort eine ganz besondere Atmosphäre aus. Es ist ganz so, als wären wir hier ganz allein auf der Welt! Hier sind einige Impressionen von unserem nächtlichen Spaziergang.
Für’s Abendessen kehren wir zurück in den “Hissen Al-Misfah Inn“, und zwar ins Penthaus-Restaurant. Die “Skybar” erstreckt sich über zwei Etagen und ist im typischen omanischen Stil eingerichtet.
Gäste können auf den klassischen Sofakissen Platz nehmen, aber es gibt auch verschiedene Ecken, wo man an Tischen dinieren kann.
Zum Abschluss unseres Aufenthalts ist dies einfach die allerschönste Location, um einen paradiesischen Tag völlig entspannt Revue passieren zu lassen. Der Blick von der Dachterrasse auf das gesamte Städtchen ist schlichtweg atemberaubend.
Kein Wunder, dass Sultan Quaboos speziell dieses Dorf zu einem seiner Lieblingsplätze in Oman erklärt hat. Seit unserem Besuch im Bergdorf-Juwel “Misfah” können wir uns dieser fürstlichen Meinung nur anschließen. Auch wir finden’s einfach toll hier…!
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jög Baston
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