
Qasr al-Hosn: Das “Weiße Fort” von Abu Dhabi
Mitten im Herzen von Abu Dhabi, umgeben von gläsernen Hochhäusern, Shoppingmalls und mehrspurigen Boulevards, erhebt sich ein Ort der Stille und Geschichte: Qasr al-Hosn. Dieser Name bedeutet „Palast der Festung“, und genau das steht vor uns in alter Pracht: eine befestigte Anlage, die einst die wichtigste Süßwasserquelle auf der Insel Abu Dhabi schützen sollte.
„Qasr al-Hosn“ – der schneeweiße Palast mit seinen dicken Mauern, den Rundtürmen und filigranen Ornamenten – ist das älteste Gebäude Abu Dhabis und bildet das kulturelle Herz der Hauptstadt.
Als bedeutende regionale Kulturerbestätte bewahrt das „weiße Fort“ das historische Erbe und verkörpert zugleich die interessante Verbindung von Tradition und Moderne, die das Golfemirat auszeichnet. Über ein Jahrhundert war Qasr al-Hosn nicht Wohnsitz der damaligen Regenten, sondern auch der Regierungssitz und das administrative Zentrum des Emirats.
Geschichte & Bedeutung des Forts
Ursprünglich um das Jahr 1760 gegründet, diente Qasr al-Hosn zunächst als Wachturm zum Schutz der einzigen und daher lebenswichtigen Süßwasserquelle auf der Insel. Im Laufe der Zeit wurde das Fort mehrfach ausgebaut und entwickelte sich zu einer befestigten Residenz der Herrscherfamilie Al Nahyan.
Die gesamte Anlage ist ein architektonisches Meisterwerk. Verwendet wurden Materialien, die dem harschen Wüstenklima standhielten: ein spezieller Putz aus Korallenstein, Palmholz, Ton, Gips und feinster Muschelkalk, der den Wänden im Sonnenlicht einen schimmernden Glanz verlieh. Dieser Effekt machte das Fort zu einem markanten Orientierungspunkt für Händler und Reisende. Was bis heute bleibt, ist ein wahrer Stadtschatz.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1930er-Jahren – vor allem durch erste Einnahmen aus Ölkonzessionen – wurde die Festung modernisiert. In den 1980er-Jahren begann man erneut mit einer aufwändigen Restaurierung, um das historische Erbe für kommende Generationen zu bewahren.
Museum & Kulturerbestätte
Im Jahr 2018 wurde Qasr al Hosn als Museum eröffnet. Unbedingt hingehen und ansehen…!
Den Besucher erwartet ein vielfältiges Ausstellungsprogramm zur Geschichte Abu Dhabis, zur Rolle der Herrscherfamilie Al Nahyan und zur Entwicklung der Vereinigten Arabischen Emirate.
Das Gebäudeensemble besteht insgesamt aus zwei Hauptteilen. Wir schlendern zunächst durch das Innere Fort. Interaktive Exponate, historische Dokumente, Waffen und kunsthandwerkliche Objekte geben einen sehr guten Einblick in das Alltagsleben des Landes von anno dazumal bis heute.
Fotos mit lebensgroßen Araberkindern begleiten uns durch die Arkaden. Die vergitterten Fenster (Foto links) hatten früher eine praktische Funktion. Vermutlich befanden sich hier die Verhörräume einer Gefängniszelle oder sie dienten als Sichtfenster für Bedienstete. Heutzutage sind sie Fotokulisse und ein Fenster zur Vergangenheit, festgehalten für die Ewigkeit.
Der äußere Palast zeigt den Alltag der Herrscherfamilie im 20. Jahrhundert. Hier befindet sich heute die „Cultural Foundation“ – ein Zentrum für Kunstausstellungen, Theateraufführungen und kreative Workshops – sowie das „Haus der Kunsthandwerker“.
In diesem „House of Artisans“ wird die traditionelle emiratische Handwerkskunst bewahrt, gelehrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unter anderem die Kunst des Sadu-Webens, der Talli-Stickerei und des Korbflechtens.
„Al-Hosn Festival“ – Beduinenkultur hautnah
Das „ Al-Hosn Festival“ zählt zu den bedeutendsten Kulturveranstaltungen der Vereinigten Arabischen Emirate. Es findet jährlich auf dem historischen Gelände rund um das Qasr al-Hosn statt. Wir hatten das Glück und waren dabei. Hier einige Impressionen von diesem wunderschönen, traditionellen Fest.
Dromedare (einhöckrige Kamele) nehmen eine bedeutende Rolle beim Al-Hosn Festival ein. Ähnlich wie beim berühmten „Al-Dhafra Festival“ in der Liwa Oase (Rub al-Khali Wüste), werden sie hier nicht nur als Nutztiere, sondern auch als stolze Träger jahrhundertealter Beduinenkultur in Szene gesetzt.
Dromedare verkörpern Ausdauer und sind perfekt an das Leben in der Wüste angepasst. Anders als Pferde sind sie in der Lage, tagelange Durststrecken zu überstehen.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten gelten Dromedare und Kamele nicht nur als traditionelles Fortbewegungsmittel, sondern haben auch Prestige.
Trommeln, Tanz & Theater
Während des Festivals verwandelt sich das gesamte Areal in ein lebendiges Zentrum emiratischer Kultur. Die Besucher, im Übrigen fast ausschließlich Einheimische, erwarten unzählige Aktivitäten, Ausstellungen und Darbietungen. Diese reichen von lokalem Handwerk bis hin zu Musik & Tanz.
Ein besonderes Highlight ist die Vorführung des traditionellen „Al-Ayyala“-Tanzes, auch „Tanz der Stöcke” genannt. Er wird von Männern in zwei Reihen aufgeführt, die sich synchron zu Trommeln, Gesängen und Flöten vor- und zurückbewegen. Dabei halten sie in den Händen dünne Bambusstäbe („Asa“), die symbolisch für Speere oder Schwerter stehen. Seit 2014 gehört dies zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit der UNESCO.
Der wichtigste Bestandteil des Festivals ist jedoch die authentische Darstellung traditioneller Lebensweisen der Beduinen, Fischer und Oasenbewohner. Dazu gehören nachgebaute historische Wohnstätten wie Zelte sowie Kamelreiten, Falknerei, Koch- und Theatervorführungen in traditionellen, fast biblisch anmutenden Gewändern.
Für Familien mit Kindern gibt es eigens konzipierte Programme, die auf spielerische Weise Einblicke in die emiratische Kultur geben. Hier lassen omanische Darsteller den traditionellen Beduinenalltag lebendig werden – malerische Szenen, die die Besucher – zumindest visuell – in die Weite der Wüste entführen.
Unser Fazit:
Was den Reiz rund um das „Weiße Fort“ besonders ausmacht: hier prallen Tradition und Moderne unmittelbar aufeinander.
Das älteste Steingebäude Abu Dhabis steht nicht etwa in einer Altstadt, sondern inmitten einer futuristischen Metropole – ein enormer Kontrast zum benachbarten Oman, wo das Leben noch stark von der Vergangenheit geprägt ist. Während dort Geschichte ganz selbstverständlich Teil des Alltags ist, wird sie in Abu Dhabi bewusst inszeniert. Als spannender Kontrastpunkt zum urbanen Fortschritt – eingerahmt von Glas, Stahl und Skyline.
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston
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