Gülsehir: Felsenkirchen & Höhlenklöster

❂ Gülsehir heißt übersetzt “Rosenstadt”❂ Aber mit Blumen hat das kleine, bereits im 2. Jahrtausend vor Christus gegründete Städtchen gar nichts zu tun. Vielmehr dominiert in dieser typisch kappadokischen Tufflandschaft eine sakrale Höhlenarchitektur, die uns fasziniert. Denn in einigen Grotten befinden sich Kirchen und Klöster mit wertvollen Kulturrelikten.

Ausgangspunkt für unsere Entdeckung in Kappadokien ist die charmante Kleinstadt Gülsehir in der Provinz Nevşehir. Sie hat nur ca. 10.000 Einwohner und ist an sich nicht sehr spannend. Allerdings hat sie eine lange Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht.

Wie es heißt, soll Gülsehir zu den allerersten Siedlungen in der Türkei gehören. Eindeutige Beweise gibt es zwar nicht, aber einige der historischen Stätten deuten darauf hin.

In Gülsehir selbst ist unserer Meinung nach nur die von Mehmet Pascha Ende des 18. Jahrhunderts erbaute Moschee Karavezir Seyyit Mehmet Paşa Külliyesi sehenswert.

Die architektonische Struktur mit einem einzelnen Minarett umfasst verschiedene Elemente, die typisch für osmanische Külliyen sind. Dazu gehören neben der Moschee auch eine  religiöse Schule, ein türkisches Bad (“Hamam”), eine Grabmoschee und soziale Einrichtungen wie eine Küche und Unterkünfte für Pilger.

Doch wie erwähnt: die meisten Besucher erkunden die Gegend etwas außerhalb von Gülşehir,…

…denn dort sind zwei bekannte kappadokische Heiligtümer in Stein gemeißelt: Die Höhlenkirche St. Jean Kilisesi sowie das Höhlenkloster Açıksaray.

Da das weiche Tuffgestein in Kappadokien verhältnismäßig leicht zu bearbeiten ist, wurde es wahrscheinlich bereits in der frühen Bronzezeit von Menschen zu Höhlen geformt. Später wurden sie zu umfangreichen Wohn- und Klosterkomplexen sowie zu Schutzräumen ausgebaut. Siehe hierzu unseren spannenden Bericht über die unterirdische Stadt Derinkuyu.

Diese Höhlenarchitektur ist derart einzigartig, dass die gesamte Region Kappadokien seit 1985 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.


Höhlenkirche St. Jean Kilisesi

Etwa sechs Kilometer südlich der Innenstadt liegt die Doppelkirche St. Jean Kilisesi, eine Felsenkirche aus dem 13. Jahrhundert.

Die Johanneskirche ist ein verstecktes Juwel der kappadokischen Kirchenkunst. Wie die meisten Kirchen in dieser Region wurde sie komplett in eine flache Klippe aus kappadokischem Tuffstein gehauen. Von außen sind lediglich die Tür und ein kleines Fenster zu sehen.

Hinter der schlichten Fassade entdeckt der Besucher zwei sehr unterschiedliche, übereinander gebaute Kirchen. Die Unterkirche aus dem 10. Jahrhundert ist mit schlichten roten Maßwerk, Kreuzen und kindlichen Tierdarstellungen verziert. Ihre ehemals vorhandene Kuppeldecke ist fast gänzlich eingestürzt.

Die Oberkirche aus dem  13. Jahrhundert unterscheidet sich deutlich von der unteren Kirche: Abgesehen von dem beschädigten Teil in der Kuppel der Apsis sind alle Wände mit farbenprächtigen, renovierten Freskenmalereien bedeckt.

An der Decke der Oberkirche schauen über eine Reihe von unterschiedlichen Szenenbildern byzantinische Heilige auf uns Besucher hinunter.

Die in ihrer künstlerischen Gestaltung überaus beeindruckenden Fresken zeigen größtenteils biblische Szenen aus dem Leben Christi wie die Taufe von Jesus, Abendmahl, Verrat des Judas, Kreuzabnahme und Auferstehung.

An der Rückwand der Kirche kann man unter anderem den Heiligen Georg auf einem weißen Schimmel sehen. Auf einer anderen Freske wird sein Kampf mit einem Drachen dargestellt. Diese Szene passt perfekt zu diesem Ort, lebte doch – der Legende nach – der betreffende Drache in einer Höhle nahe einer Stadt.


Höhlenkloster Açıksaray

Nur drei Kilometer weiter südlich der St. Jean Kilisesi findet man das Höhlenkloster Açıksaray („Offener Palast“). Für uns die beeindruckendste Sehenswürdigkeit bei Gülsehir.

Hierbei handelt es sich um eine Ansammlung von Höhlenkirchen und Klosterbauten, die zwischen dem 6. und 13. Jahrhundert von verschiedenen Zivilisationen genutzt wurden.

Die in den weichen Tuffstein gemeißelten Höhlen und Räume liegen in acht untereinander verschachtelten, mehrstöckigen Baugruppen um einen flachen Hügel herum.

Mehrere davon sind mit eindrucksvollen Fassaden versehen. Diese hier erinnert uns ein wenig an Petra, das Felswunder von Jordanien…

Die Kirchen aus dem 11. Jahrhundert weisen im Gegensatz zu vielen anderen kappadokischen Höhlenkirchen keine Freskenmalereien auf. Man sieht allenfalls einfache rote ornamentale Malereien.

Die Höhlen dienten als Kapellen, Wohnungen und Lagerstätten. Besucher können durch die Höhlen und Gänge schlendern und hierbei eine Reise in die Geschichte unternehmen, die von der frühchristlichen Ära bis zur byzantinischen Periode reicht.

Im Vergleich zu anderen Klosteranlagen in der Region verzeichnet der Açıksaray-Klosterkomplex eine vergleichsweise geringe Anzahl von Wohnräumen und Kirchen.

Dies hat unter Experten zu der Vermutung geführt, dass es sich hier gar nicht um einen reinen Klosterkomplex handelt, sondern (auch) um eine seldschukischen Karawanserei, die Reisenden Verpflegung und Unterkunft bereitstellte. Diese in Stein gehauenen Sitze deuten darauf hin…

Wie dem auch sei: Die durch die weichen Auswaschungen und Erosionen geschaffenen weichen Felsformen der verschiedenen Gebäude im Açıksaray Klosterkomplexes sind jedenfalls in ihrer archaisch anmutenden Schlichtheit sehr beeindruckend.

Die hier manifeste Verbindung von Religion, Kunst und Natur ist nicht nur für Kulturliebhaber, sondern auch für naturinteressierte Besucher interessant und deshalb aus unserer Sicht eine Besichtigung wert.


© Text & Fotos: Jörg Baston. Redaktion: Nathalie Gütermann


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Information

ANFAHRT:
Die schnellste Verbindung von Nevşehir nach Gülşehir ist per Taxi, kostet €2 – €3 und dauert 17 Min. Die Entfernung von Stadt zu Stadt beträgt ca. 15 Kilometer.

FLUGHAFEN & TRANSFER:
Es gibt einen nationalen Flughafen “Nevşehir-Kapadokya”. Es werden nur Inland-Flüge bedient. Der internationale Airport von Kappadokien ist Erkilet, 5 km (3,1 Meilen) nördlich von Kayseri. Er verfügt über ein Inlands- und Internationales Terminal. Von dort können Sie ein Auto mieten oder ein Taxi nehmen, um nach Nevsehir zu gelangen. Die Fahrt dauert je nach Verkehrslage etwa 1 bis 1,5 Stunden.

UNTERKÜNFTE:
Es gibt zahlreiche  Unterkunftsmöglichkeiten in Nevşehir. Die Preise fangen bei €27 pro Nacht an.