Jebel Shams: Grand Canyon von Oman

Im Herzen des omanischen Hochlandes thront der “Sonnenberg” Jebel Shams über der schroffen Schlucht des Wadi Nakhar. In diesem Bericht entführen wir Sie auf eine unvergessliche Reise in dieses märchenhafte Felsland, wo grandiose Ausblicke und Nervenkitzel miteinander verschmelzen. Highlight: Der Blick in den schwindelerregenden Abgrund des “Grand Canyon” von Oman.

Der Jebel Shams ist zweifellos einer der spektakulärsten Erhebungen im omanischen Hadschar-Gebirge. Der majestätische Berg ist 3.009 Meter hoch und fasziniert Naturfreunde und Abenteurer wegen seiner steil abfallenden, zerklüfteten Felsflanken, die sich tief in die Erde graben.


Der Sonnenberg ruft!

Eins vorweg: “Gipfelstürmer” können den obersten Gipfel des Jebel Shams weder besuchen noch erklimmen, denn dort oben befindet sich eine Radarstation des omanischen Militärs und ist daher Sperrgebiet. Allerdings gibt es mehrere Haltestellen auf dem Weg in die Höhe, die grandiose Landschaftsbilder bieten.

Besonders erwähnenswert ist der “Viewpoint 3” auf ca. 2000 Metern Höhe, wo sich auch der berühmte “Grand Canyon” befindet. Doch davon später.

Von Nizwa kommend fuhren wir mit einem ganz normalen PKW in Richtung Jebel Shams, und es hat gut geklappt – bis auf ein paar Herzklopfer zwischendurch. Denn natürlich muss man während der Fahrt mit ein paar Herausforderungen rechnen…


Erster Stopp: Blick auf Al Hamra

Den ersten Aussichtspunkt erkennt man an Teppichen! Ja, genau… ein kleiner Teppich-Shop am Straßenrand ist der Indikator dafür, dass man genau hier einen Stopp einlegen sollte.

Also halten wir kurz an, denn hinter den bunten, handgeknüpften Textilien erhaschen wir einen schönen Blick auf die ehrwürdige Stadt Al Hamra, die inmitten ihrer grünen Oase ruht.

Die ockerfarbenen Lehmhäuser und Ruinen der verlassenen Altstadt sehen zwischen den knall-grünen Feldern und dem markanten Hadschar-Gebirgsmassiv im Hintergrund wie eine goldene Festung aus.

Was die Straße betrifft, so ist sie zunächst noch gut ausgebaut und asphaltiert.

Jedoch nicht mehr lange. Denn danach geht’s auf unbefestigte, staubige Schotterpisten.

Und je mehr man sich dem Jebel Shams nähert … es wird nicht gerade besser…!


Über Serpentinen zum Viewpoint 3 

Spannung liegt in der Luft. Zumal wir anfangs natürlich nicht wirklich einschätzen können, ob die Straße möglicherweise noch sandiger und steiniger wird…,

… oder ob sie vielleicht sogar irgendwo im Nirgendwo endet. Zum Glück hatten wir uns vor unserer Reise speziell diese Gegend sehr genau auf Google Maps und Google Earth angesehen. Aber man weiß ja nie….

Hätten wir doch einen Geländewagen mieten sollen? Nun, man wird sehen! Unsere Einschätzung dazu lesen Sie am Ende dieses Berichts in der Infobox.

Immer wieder halten wir an, um die bizarren Felsformationen der zusammengewürfelten Landschaft aus Bergen, Schluchten und Tälern inmitten der Hadschar-Hochgebirgskette zu bewundern.

Die Vielfalt an Farbnuancen und Texturen, die von den unterschiedlichen Gesteinsschichten und mineralischen Ablagerungen herrühren und je nach Tageszeit und Lichteinfall variieren, ist überaus faszinierend.


Grand Canyon des Nahen Ostens

Schließlich erreichen wir den erwähnten Viewpoint 3, ein auf ca. 2000 Meter Höhe liegendes Hochplateau. Dort kann man gut parken, und hier sollte man auch unbedingt eine ganze Zeit lang verweilen!

Der Blick in den “Grand Canyon von Oman” ist stellenweise vergleichbar mit dem Grand Canyon in Arizona und im wahrsten Sinne des Wortes einfach atemberaubend! Nicht nur, weil die Luft hier oben langsam dünner wird, sondern weil wir wortwörtlich an der Kante einer gewaltigen Schlucht stehen.

Die schroffe Landschaft des Wadi Nakhar liegt uns zu Füßen, und mit etwas Glück entdeckt man den ein oder anderen Adler, der seine Runden über den Bergkämmen dreht. Ganz weit in der Ferne, irgendwo am Horizont, erahnt man die grünen Oasen und Dörfer, die das omanische Hochland prägen.

Ganz weit unten, im tiefen Schlund der Schlucht, erblicken wir ein paar Wanderer, die sich auf den “Balcony Walk” eingelassen haben. Dieser führt entlang eines schmalen Felsgrates und bietet unvergleichliche Blicke in den fast 1.000 Meter tiefen Abgrund.

Ein bisschen mulmig kann es einem hier schon werden, wenn man den Blick in die Tiefe wagt. Definitiv ist diese Aussicht nichts für Menschen mit Höhenangst, deshalb sollte man generell diesseits der als “Geländer” angebrachten Stahlseile bleiben.

Das Licht, das in den “Grand Canyon” fällt, erzeugt ein faszinierendes Spiel aus Schatten und Lichtreflexen, das die Konturen und Muster der Felsen betont. Die mächtige Schlucht ist über Jahrtausende durch Erosion und geologische Prozesse entstanden, und wer hier oben steht und ein wenig innehält, fühlt sich wie ein Protagonist in einer surreale Filmszene.

Hier könnte problemlos ein Science Fiction-Film gedreht werden!


Abenteuerreise ins Hochgebirge

Nachdem wir uns an der umwerfenden Szenerie quasi “sattgesehen” haben, geht’s geradewegs zu unserer Unterkunft auf dem nächsten Hochplateau. Die Serpentinen werden steiler, eine scharfe Kurve folgt der anderen. Daher unsere Empfehlung: Vermeiden Sie Nachtfahrten und studieren Sie den Wetterbericht. Denn wenn es regnet, kann diese Strecke unpassierbar sein.

Wir sind mit Absicht zu einer Zeit im Sultanat, wo kein Niederschlag zu erwarten ist. Nämlich in der omanischen “Winterzeit” (Oktober bis April). Die dann vorherrschenden Temperaturen liegen tagsüber zwischen 25°C und 30 °C und sind daher ideal zum Wandern, Sightseeing und Erkunden der vielfältigen Landschaften.

Endlich! Ankunft an der angegebenen Adresse, die glücklicherweise auf Google Maps verzeichnet ist! Doch dann verliert sich kurzzeitig die Spur und wir müssen uns erst einmal durchfragen…!

Tatsächlich befindet sich unser “Haus” auf einem Nebengipfel des Jebel Shams, und zwar dort, wo der Schotterweg einfach abrupt abbricht. Über Booking.com haben wir diese traditionelle, urige Unterkunft gefunden, wo Schafe und Ziegen unsere direkten Nachbarn sind.

Gerade weil es das allerletzte Haus ist, finden wir es herrlich hier! Und hübsch gebaut ist es auch.

Wie überall im Sultanat werden Gäste mit Höflichkeit und Wärme empfangen. Während wir es in unserem “Heim” gemütlich machen, erleben wir die typische Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Omanis hautnah.

Ein Beispiel: Hier “entstaubt” unser Gastgeber unseren “versandeten” Wagen. “Car Wash a là Oman”!


Am Ende der Welt…

Unglaublich romantisch ist es hier, und der Blick in eine weitere tiefe Schlucht ist ebenso beeindruckend wie bei dem zuvor erlebten “Grand Canyon”. Mit dem Unterschied, dass wir hier direkt am Gebirgssattel wohnen.

Langsam geht die Sonne unter. Die letzten Sonnenstrahlen lassen die Landschaft in einem magischen Glanz erstrahlen, die zerklüfteten Granitformationen werfen dabei lange Schatten und färben sich in verschiedenen Orange- und Goldtönen.

Und mit jedem Blick entdecken wir neue Details dieser faszinierenden Felslandschaft, die insbesondere während der blauen Stunde noch einmal ganz anders erscheint als zuvor.

Doch Vorsicht, was die Temperatur angeht!

Nachts kann es in den Bergen rund um den Jebel Shams empfindlich kühl werden. In über 2.000 Metern Höhe fällt dann das Thermometer drastisch ab – manchmal sogar bis unter 10°C . Packen Sie also warme Kleidung für die Abendstunden ein!

Zeit zum Abendessen.

Das läuft hier oben in der Abgeschiedenheit des Gebirges gänzlich anders ab, als man es als Westler gewohnt ist. Die einfachen Speisen und alkoholfreien Getränke (…hier wäre mal ein guter Whiskey oder Rotwein sehr willkommen gewesen…!) werden nicht etwa in einem Restaurant, sondern auf Plastiktellern in etwas gewöhnungsbedürftigem Beduinen-Stil konsumiert. Und zwar auf dem Boden.

Von jeglichem Luxus, mit dem wir einen Tag zuvor in unserem Hotel in Maskat verwöhnt wurden, sind wir hier also meilenweit entfernt 😉 Aber auch dieser Lifestyle hat seinen Reiz, und im Nachhinein ist uns gerade dieser Moment unvergesslich geblieben.

Langsam schlendern wir nach dem Dinner zurück zu unserer Unterkunft und lassen unsere Erlebnisse in dieser außergewöhnlichen Bergwelt noch einmal Revue passieren.

Unser Fazit: Einen Tag und eine Nacht im Jebel Shams zu erleben ist mehr als nur ein Naturschauspiel, das berührt. Es ist eine Reise in die Seele des Omans und eine Begegnung mit der puren Kraft der Natur.


© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston


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Information

PKW oder Geländewagen?

Allradantrieb ist empfehlenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Allerdings wird für die Fahrt auf diesen Sandpisten eine gewisse Erfahrung beim Herumkurven im Gelände vorausgesetzt. Achten Sie vor allem auf Bodendellen und Schlaglöcher. Denn eins möchte man auf den einsamen Bergstraßen definitiv vermeiden: im Sand oder Schotter steckenzubleiben!