Karnak-Tempel: Herz des alten Ägypten

Der Karnak-Tempel in Luxor ist eine der größten und beeindruckendsten religiösen Stätten der Antike. Die Tempelanlage war das religiöse Zentrum Altägyptens und dem Gott Amun-Re geweiht. Die weitläufige Anlage wurde über mehr als 2.000 Jahre hinweg erweitert und umfasst zahlreiche Tempel, Säulenhallen, Obelisken und Statuen. Zusammen mit dem Luxor-Tempel und der thebanischen Nekropole steht der Tempel von Karnak auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO.

Der beeindruckende Tempelkomplex von Karnak erstreckt sich über etwa 2 km² und bildet das Herzstück der antiken Stadt Theben. Ursprünglich dem Reichsgott Amun geweiht, wuchs der Tempel im Laufe der Jahrtausende zu seiner heutigen Größe heran. Verschiedene Pharaonen prägten ihn mit ihrem individuellen Stil, wodurch eine beeindruckende Vielfalt architektonischer Elemente entstand.

Die gesamte Anlage besteht aus mehreren, miteinander verbundenen Tempelbezirken, die durch eine Serie von massiven „Pylonen“ (Monumentaltoren) in verschiedene Höfe und Heiligtümer gegliedert ist.

Der erste Pylon des Karnak-Tempels, obwohl unvollendet, ist der größte seiner Kunst in der ägyptischen Geschichte. Mit einer Breite von 115 Metern, einer Höhe von 43 Metern und Türmen, die 15 Meter dick sind, beeindruckt er noch heute durch seine architektonische Wucht. Insgesamt gibt es zehn Pylone, die von verschiedenen Pharaonen über Jahrhunderte errichtet wurden. Sie sind in der Regel mit eleganten Flachreliefs verziert. Hier als Beispiel der Pylon an der Südecke des Amun-Re-Tempels.

Die einzelnen Tempelbezirke sind jeweils verschiedenen Gottheiten gewidmet. Neben dem „Bezirk der Mut“ (Göttin Mut, der Gemahlin von Amun) und dem „Bezirk des Kriegsgottes Month“ ist ohne Zweifel der „Bezirk des Amun“ das Herzstück des gesamten Tempelkomplexes . Im Folgenden werden ausgewählte Highlights dieses schönsten und bekanntesten Tempelbezirkes skizziert.


Amun-Re Tempel: Herzstück Karnak-Tempel

Der Amun-Re Tempel war das Hauptheiligtum des Gottes Amun, was schon in seiner monumentalen Architektur deutlich wird. Er ist mit seinen insgesamt 10 Pylonen der größte Tempel in Ägypten. 

Der Tempel ist außerdem reich an Statuen, Reliefs, Inschriften und kunstvollen, teils noch farbigen Dekorationen. Denn hier fanden die wichtigsten religiösen Zeremonien und Feste statt. Vor allem das jährliche Opet-Fest, bei dem eine Statue des Gottes Amun von Karnak nach Luxor transportiert wurde (siehe unten „Sphinxallee“). 


„Große Säulenhalle“ des Amun Re-Tempels

Die Große Säulenhalle („Hypostylhalle“) befindet sich zwischen dem zweiten und dritten Pylon des Amun-Re-Tempels und bildet den zentralen Übergangsbereich innerhalb des Tempelkomplexes. Sie diente als Mittelpunkt des Karnak-Tempels und als Versammlungsort für Priester und Gläubige. Als beeindruckendstes und bekanntestes Bauwerk des Karnak-Tempels zählt sie zugleich zu den monumentalsten Irrungenschaften der Menschheitsgeschichte.

Die Halle, erbaut unter den Pharaonen Sethos I. und Ramses II., beeindruckt mit 134 massiven Säulen, die in 16 Reihen symmetrisch angeordnet sind. Die mittlere Säulenreihe beträgt etwa 23 Meter in der Höhe, und ihre Kapitelle, inspiriert von stilisierten Papyrusblüten, sind reich mit kunstvollen Reliefs und Inschriften verziert.

Ein bemerkenswertes Merkmal ist, dass die Säulen des Mittelschiffs höher sind als die umliegenden Außenpfeiler der Festhalle. Dennoch fällt durch die fensterartigen Öffnungen in der oberen Reihe der Außenwände kontinuierlich Sonnenlicht ein und erhellt die Halle. Die zehn Säulen des Mittelschiffs tragen bis heute die Decke der Halle. Auffällig ist, dass sie von unten nach oben etwas breiter werden und daher auch als „Zeltstangensäulen“ bezeichnet werden.

Obwohl die ursprünglichen farbigen Dekorationen der Säulen größtenteils entfernt oder zerstört wurden, sind am oberen Teil der Säulen sowie an der Decke noch deutliche Spuren der alten Bemalung zu erkennen.

Ursprünglich waren alle architektonischen Elemente – Säulen, Decken, Architrave und Türstürze – mit farbigen Reliefs und Malereien reich verziert. Doch ein Großteil dieser kunstvollen Ausschmückungen ging verloren. Bereits unter Pharao Echnaton (Amenophis IV., 1350–1334 v. Chr.) wurden viele Dekorationen durch den Aton-Kult entfernt. In der frühchristlichen Zeit nutzten die Kopten die Halle als Kirche, wodurch weitere sakrale Verzierungen aus der Zeit Thutmosis III. unwiederbringlich zerstört wurden.

Die Reiche mit Hieroglyphen, Reliefs und Darstellungen von Königen und Gottheiten verzierten Wänden und Säulen sind wahre Meisterwerke des vertieften Flachreliefs. Sie thematisieren die göttliche Herkunft und Macht der Pharaonen, ihre militärischen Erfolge sowie die Verehrung der Götter.

Besonders Ramses II hinterließ hier zahlreiche Inschriften, unter anderem auch sein Siegel in Hieroglyphenschrift (siehe obiges Foto unten rechts). Auf dem Relief im zentralen Foto ist die Pharaonin Hatschepsut dargestellt, wie sie den Segen von Amun-Re empfängt.

Apropos Relief: Eines der beeindruckendsten Flachreliefs kann der Besucher an der östlichen Außenwandhälfte des 7. Pylons bewundern. Es zeigt eine kraftvolle aus dem Stein gemeißelte Figur. Nämlich Pharao Sethos I. wie er mit der Hedj-Keule (Streitkolben als Symbol der königlichen Macht) seine Feinde erschlägt. Der König trägt die Krone Unterägyptens und hält mit seiner linken Hand die um Gnade flehenden feindlichen Fürsten fest.


Statue von Ramses II. und seine Tochter Merit-Amun

Die imposante, 14 Meter hohe Statue von Ramses II. im ersten Hof vor dem zweiten Pylon des Karnak-Tempels zählt zu den bekanntesten und beliebtesten Fotomotiven im Amun-Bezirk des Karnak-Tempels.

Ramses II. , der mächtige Pharao, ist in typischer königlicher Pose dargestellt, mit einer imposanten Krone und den traditionellen königlichen Insignien. Sein Gesichtsausdruck ist majestätisch und ausstrahlend, und seine muskulöse Figur unterstreicht seine Macht und Stärke.

Zwischen den Beinen von Ramses II. steht die deutlich kleiner dargestellte, anmutige Merit-Amun. Als Tochter und spätere Gemahlin des Pharaos trägt sie eine große Federkrone auf dem Kopf und hält in ihrer linken Hand einen Wedel als Zepter – ein Symbol ihrer Königinwürde.

Die Statue von Ramses II., einem der mächtigsten Pharaonen Ägyptens, ist ein beeindruckendes Zeugnis der ägyptischen Geschichte und Kunst. Sie verkörpert seine besondere Macht, den Einfluss und die göttliche Natur des Pharaos und hinterlässt einen bleibenden Eindruck auf jeden Besucher.


Papyrus-Säule des Tahaqa-Kiosks

Die Säule des Taharqa-Kiosks vor dem Pyloneingang zur Großen Säulenhalle ist ein prägnantes architektonisches Element des Karnak-Tempels. Die imposante Papyrussäule mit Kelchkapitell stammt aus der Regierungszeit von Pharao Taharqa (ca. 690–664 v. Chr.). 

Taharqa, einer der wenigen nubischen Herrscher Ägyptens, nutzte seine Bauwerke im Karnak-Tempel, um seinen Anspruch auf Anerkennung als vollwertiger ägyptischer Pharao zu unterstreichen. Die Säule des Taharqa-Kiosks steht damit auch als Symbol der Vereinigung und kulturellen Durchdringung von Ägypten und Nubien in der 25. Dynastie. Unweit befindet sich ein ebenfalls schönes Beispiel für die Säulensymbolik der Altägypter. 

Der Nil-Lotus war ein Symbol für die Schöpfung und die Wiedergeburt. Da er aus dem schlammigen Wasser aufsteigt und sich öffnet, um eine wunderschöne Blüte zu entfalten, wurde er mit der zyklischen Natur des Lebens und dem Konzept der Wiedergeburt nach dem Tod in Verbindung gebracht. Die geschlossene Lotuskapitelle auf dem obigen Foto symbolisiert somit das Potenzial für neues Leben und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.


Heiliger See

Der Heilige See war ein künstlich angelegtes Wasserbecken, das für religiöse Rituale genutzt wurde. Priester und Tempeldiener reinigten sich hier rituell, bevor sie den Tempel betraten. Der See symbolisiert den Ur-Ozean Nun , aus dem nach der ägyptischen Schöpfungsmythologie das Leben entstand. Mit einer Grundfläche von über 9.000qm ist er eindeutig der größte See dieser Kunst in Ägypten.

Der heilige See, ein beeindruckendes Zeugnis ägyptischer Ingenieurskunst, ist bis heute mit Wasser gefüllt. Mit seinen Maßen von 120 x 77 Metern und den umlaufenden Steinmauern war er einst ein Herzstück der Tempelanlage. Treppenstufen luden zum Wasser hinab und zeugen von der Bedeutung dieses Ortes für Rituale. Umgeben von Lagerräumen und Wohnquartieren für die Priester, bildete der See ein Zentrum des religiösen Lebens.


Obelisken von Hatschepsut und Thutmosis III.

In Karnak standen einst zahlreiche Obelisken, von denen nur noch zwei, errichtet zu Ehren des Sonnengottes Amun-Re, erhalten sind. Die beeindruckenden Monumente von Hatschepsut und Thutmosis III. zeugen von der Handwerkskunst der altägyptischen Steinmetze und verkörpern die tiefe Verbindung zwischen Himmel und Erde. Als „Strahlen“ des Sonnengottes galten sie als Bindeglied zwischen der göttlichen und der irdischen Welt.

Als einer der höchsten Obelisken im Karnak-Tempel sticht die von Königin Hatschepsut besonders hervor. Der aus rosa Granit aus Assuan gefertigte Monolith ist etwa 30 Meter hoch und wiegt schätzungsweise 320 Tonnen. Die kunstvoll gestalteten Hieroglyphen und Reliefs schmücken alle vier Seiten des Obelisken und erzählen von Hatschepsuts göttlichem Status. Errichtet um 1500 v. Chr., ist dieser Obelisk ein einzigartiges Zeugnis für die außergewöhnliche Rolle Hatschepsuts als einer der wenigen weiblichen Pharaonen in der ägyptischen Geschichte.

Der zweite Obelisk trägt die Handschrift des berühmten Pharaos Thutmosis III., dem Nachfolger Hatschepsuts. Seine Inschriften, fein in den Granit gemeißelt, geben detaillierte Einblicke in das Leben und Wirken dieses bedeutenden Eroberers. Thutmosis III., einer der erfolgreichsten Feldherren Ägyptens, nutzte die Obelisken, um seine militärischen Triumphe zu propagieren und seine göttliche Legitimation zu unterstreichen


Sphingenallee

Betritt man die Tempelanlage von Westen, so eröffnet sich dem Besucher ein beeindruckendes Bild: Eine von Widdersphingen gesäumte Straße sich einst bis zum Nil.

Diese etwa 2,7 Kilometer lange Prozessionsallee verband die heiligen Stätten von Karnak und Luxor (siehe separater Reisebericht „Luxor-Tempel“ ) und war Schauplatz prächtiger religiöser Feste. Die Widderköpfe, Symbole des Gottes Amun, sollten die göttliche Kraft stärken und den Prozessionsweg schützen. 

Die Löwenkörper verkörperten Stärke und Unbesiegbarkeit. Bei Festen wie dem Opet-Fest wurden Götterstatuen auf dieser Allee feierlich von einem Tempel zum anderen getragen, während die Sphingen eine majestätische Atmosphäre schufen. Hier eine der zahlreichen Widdersphingen im Vorhof des Amun-Re-Tempels. Kleine Statuen von Ramses II. stehen im Schutz dieses Geschöpfes zwischen den jeweiligen Tatzen.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Sphingen-Allee in Luxor teilweise restauriert, da viele Sphingen über Jahrhunderte verschüttet oder beschädigt waren. Heute ist sie wieder teilweise begehbar.


Pharaonen-Gruppe

Die westliche Seite des Durchgangs am 7. Pylon wird von einer beeindruckenden Gruppe von fünf Statuen dominiert. Im Zentrum steht die imposante Schreit-Statue von Thutmosis III. aus rotem Granit.

Links und rechts davon sind weitere Pharaonen dargestellt, darunter Ramses II. mit seiner charakteristischen weißen Krone. Die Anordnung der Statuen unterstreicht die geschichtliche Bedeutung dieses Herrschers.


Steinmetzkunst in Alt-Ägypten

Die altägyptische Steinmetzkunst ist ein beeindruckendes Zeugnis für die Kunstfertigkeit und das künstlerische Talent der alten Ägypter. Sie verbindet technische Perfektion mit tiefer symbolischer Bedeutung.

Oben zwei Beispiele aus dem Karnak-Tempel: Links ein ausdrucksstarkes Flachrelief des Pharaos Sethi I., fein aus dem Granit herausgearbeitet. Rechts eine Seitenansicht der beiden Pharaonenstatuen von Thutmosis III. und Amenophis II. aus rotem Assuan-Granit. Die Figuren wirken kraftvoll und gleichzeitig elegant in ihrer Linienführung. Auch für den heutigen Betrachter ist nachvollziehbar, dass die mit diesen Werken beabsichtigte politische Propaganda der jeweiligen Herrscher sehr erfolgreich war.


Fazit

Ein Besuch des Karnak-Tempels ist für jeden Ägyptenreisenden ein absolutes Muss. Diese gewaltige Tempelanlage ist nicht nur ein beeindruckendes Zeugnis antiker Baukunst, sondern auch ein Spiegelbild der religiösen und politischen Entwicklung des alten Ägyptens.

Über Jahrtausende wuchs hier ein beeindruckendes Ensemble aus mächtigen Pylonen, schlanken Obelisken und majestätischen Tempelbauten heran. Gemeinsam erzählen sie die faszinierende Geschichte des alten Ägypten.

Von der Macht der Pharaonen über die Geheimnisse der Götter bis hin zu den Details des täglichen Lebens – jedes Relief, jede Hieroglyphe ist ein Puzzleteil, das das Bild einer hochentwickelten Zivilisation vervollständigt.

Planen Sie grundsätzlich ausreichend Zeit ein, um die Vielfalt und Komplexität dieses einzigartigen Ortes vollends zu erfassen. Ein zusätzlicher Tipp für alle „Entdecker“: Während organisierte Touren durchaus einiges bieten, eröffnet ein individueller Besuch des Karnak-Tempels ganz neue Dimensionen. Flanieren Sie in Ihrem eigenen Tempo durch die riesige Anlage und lassen Sie sich von der einzigartigen Atmosphäre verzaubern. Gerade abseits der großen Gruppen können Sie die Stille und Mystik dieses Ortes am intensivsten erleben.

Besonders eindrucksvoll ist ein Besuch gegen Sonnenuntergang, wenn die letzten Sonnenstrahlen die Tempelanlage in ein goldenes Licht tauchen. Ein Moment der Ruhe und Besinnung, der Ihnen noch lange in Erinnerung bleiben wird.


© Text & Fotos: Jörg Baston