Motorrad-Tour: Dschungeltempel ‘Beng Mealea’

❂ Beng Mealea ist ein fast vergessener Tempel im Herzen des kambodschanischen Urwalds ❂ Die recht große Entfernung von den Hauptsehenswürdigkeiten in Angkor macht dieses verborgene Bauwerk zu einem ruhigen, kaum besuchten Ort mitten im Reich der Heiligtümer. Wir haben uns auf 2 Rädern auf den Weg zu diesem historischen Juwel gemacht, das auch für “Indiana Jones” als Filmkulisse diente.

Die weltberühmten Tempel des archäologischen Parks Angkor sind sicherlich faszinierend. Doch gerade ihre Bekanntheit führt dazu, dass sie oft von Touristenmassen überrannt werden. Man denke nur an Angkor Wat, den Ta Phrom oder den Bayon – allesamt Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Nachdem wir die genannten “Top 3” schon gesehen hatten, wollten wir während unseres letzten Besuchs noch mehr in die Tiefe gehen und auch ein paar andere heilige Stätten erkunden, die nicht auf der üblichen Touristenkarte verzeichnet sind.

Zum Beispiel den Wat Phrea Khan und den Ta Nei Tempel. Oder eben den verwunschenen Waldtempel Beng Mealea, den wir Ihnen hier präsentieren.

Gerade weil das verfallene Gemäuer bislang kaum von Menschenhand berührt wurde, bietet dieser mystische Schauplatz den Besuchern ein durch und durch authentisches Gefühl des Entdeckens.

So muss es wohl auch den europäischen Forschern rund um den französischen Naturwissenschaftler Henri Mouhot ergangen sein, als sie im 19. Jahrhundert die Angkor Region erkundeten.

Im Gegensatz zum Zentralheiligtum “Angkor Wat” und seinen  benachbarten Tempeln wurde der Beng Mealea Tempel zwar nicht im eigentlichen Sinne “entdeckt”, da die lokalen Gemeinschaften immer von seiner Existenz wussten.

Allerdings war das Waldkloster für die Öffentlichkeit und die Archäologen lange Zeit schwer zugänglich, da dieser Tempel – wie die meisten anderen auch – vom Dschungel überwuchert war.

Da der erwähnte Forscher Mouhout unter anderem auch den Beng Mealea in seinen Reiseberichten und Zeichnungen erwähnte, waren wir neugierig geworden. Und so machten wir uns auf die Suche nach ihm.

Ganz so einfach ist dies allerdings nicht, denn der Tempel liegt rund 60 km östlich der Angkor-Haupttempel.

Lust auf einen klimatisierten Touristenbus hatten wir jedoch nicht, und so organisierten wir unsere kleine Abenteuer-Exkursion mit zwei jungen Kambodschanern, die eine interessante Alternative zum Van anboten: nämlich eine Motorrad-Tour!


Auf 2 Rädern zum “verlorenen Tempel”

Hier schwingen wir uns also aufs Moped und los geht’s…

Zugegeben: Der Beng Mealea Tempel ist schon lange kein echter Geheimtipp mehr, da Reiseveranstalter wie “GetYourGuide” diesen Ausflug im Programm haben. Meistens wird die Tagestour in Verbindung mit dem Kulen Berg und dem “Tonle Sap Lake” angeboten.

Wie wir jedoch in Erfahrung brachten, ist es beim Waldtempel nie überlaufen, eben weil das Bauwerk außerhalb des Hauptkomplexes liegt und total unrenoviert ist. Wie Sie gleich sehen werden, entspricht das den Tatsachen. Als wir dort ankamen, haben wir kaum eine Menschenseele gesehen.

Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu vielen anderen Tempeln außerhalb von Angkor wurde der Beng Mealea im 20. Jahrhundert komplett entmint, als mehrere archäologische Teams intensiv mit den systematischen Ausgrabungen begannen. Während dieser Zeit wurde der Dschungel zurückgedrängt, um den Tempel für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Zuge dessen wurden aus Sicherheitsgründen zumindest die wichtigsten Reparaturen durchgeführt und die Struktur gesichert.

Ansonsten ist dem Bauwerk seine Urigkeit und Ursprünglichkeit ganz und gar erhalten geblieben.


Landleben pur

Bereits die Fahrt in unserer Vierergruppe über die überwiegend unbefestigten, rotsandigen Wege hat den Charakter einer veritablen Entdeckungsreise.

Wie schon mehrfach in unseren anderen Berichten erwähnt, ist der rote Boden in der Region Angkor auf das Vorhandensein von Laterit zurückzuführen. Dies ist eine Art erdiger Boden, der reich an Eisenoxid ist und daher eine charakteristische rötliche Farbe aufweist.

Hier kann es sich Nathalie nicht verkneifen, am Wegesrand einen Zwischenstopp einzulegen und einen Schnappschuss auf einem Ochsenkarren zu machen. Nur zu dumm, dass sie ganz in weiß gekleidet ist. Denn die rötliche Sandfarbe bekommt man nicht mehr aus den Klamotten…!

Gerade auf solch’ einem Ausflug lernt man einiges über die Lebensweisen der hiesigen Bevölkerung kennen, insbesondere wenn man sich auch mal “off road” begibt.

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in ländlichen Gebieten lebt von der Landwirtschaft. Reisanbau ist eine zentrale Tätigkeit, und viele Familien betreiben auch Viehzucht und Gemüseanbau.

Ab Siem Reap geht unsere Fahrt mitten durch eine saftig grüne Landschaft…,

… durchzogen von kleinen Flussläufen, die sich noch in ihrem natürlichen Flussbett durch die Felder schlängeln. Doch so romantisch dieses Landschaftsbild auch anmuten mag, so darf man dennoch die Augen nicht vor der Realität verschließen.

Denn leider ist die Kanalisation in großen Teilen von Kambodscha nach wie vor eine große Herausforderung. So haben vor allem die ländlichen Gemeinden nur begrenzten Zugang zu sanitären Einrichtungen und frischem Trinkwasser.

Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Situation – vor allem außerhalb der Touristengebiete – eher schwierig.  Viele Menschen haben nur begrenzte Einkommensquellen, was man an diesen notdürftig aus Holz, Bambus und Wellblech zusammengezimmerten Hütten sehen kann. Wir können nur erahnen, wie die Familien hier auf kleinstem Raum miteinander leben.

Was die Bildung der Kinder betrifft, so ist das kambodschanischen Bildungssystem ebenfalls dürftig. Vor allem hier, auf dem Land. Doch geben verschiedene internationale Organisationen Hilfestellung und stellen auch regelmäßig Schulmaterial und Finanzmittel bereit.



Anders als im Auto bekommt man während der Fahrt mit dem Motorroller schon ein gewisses Gefühl für das wirkliche, noch stark von der Khmer-Kultur geprägte ländliche Leben abseits der Großstadt Siem Reap.


Tempel-Tour “Beng Mealea”

Nach einer rund 2-stündigen Fahrt erreichen wir das Ziel des Tages. 

Der Tempel Beng Mealea wurde im 12. Jahrhundert während der Regentschaft von König Suryavarman II. erbaut. Dies ist derselbe König, der auch Angkor Wat errichten lies.

Beng Mealea ist ein sogenannter Naturtempel”. Von seinen Bewohnern verlassen, wurde er im Laufe der Jahrhunderte von der tropischen Natur zurückerobert und – anders als die meisten anderen Tempel im archäologischen Park – nicht restauriert. Und das, obwohl er im Laufe der Jahrhunderte nicht nur unter Naturgewalten, sondern auch unter Plünderungen gelitten hat.

Das Resultat: Hier hat sich die Natur mal so richtig austoben können und ein regelrechtes Chaos hinterlassen. Bei der Erkundigung muss man praktisch über ein veritables Labyrinth diverser Trümmer steigen.

Der Tempel ist von dichtem Dschungel umgeben, und die Wurzeln und Pflanzen haben sich über die Jahrhunderte über die verfallenen Gebäude, Türme, Säulen und Steinblöcke geschlungen. Ähnlich wie im Ta Phrom. Dies alles verleiht der Tempelanlage eine geheimnisvolle Atmosphäre, der man sich als Besucher unmöglich entziehen kann.


Alte Bibliothek

Die Architektur von Beng Mealea ist typisch für die Khmer-Kunst jener Zeit und spiegelt den Baustil von Angkor Wat wider. Der Tempel besteht aus einem zentralen Turm, der von Galerien, Toren und einer Mauer umgeben ist. Die Hauptachse führt durch die verschiedenen Ebenen des Tempels, unter anderem zur ehemaligen Bibliothek im Außenbereich. Dieses Bauwerk ist noch weitgehend erhalten geblieben.

Schwieriger ist der Weg zum völlig eingestürzten Prasat, dem zentralen Tempelturm. Nur über einen Holzsteg gelangt man dorthin. Dieser wurde übrigens während der Dreharbeiten zu Jean-Jacques Annauds Film “Zwei Brüder” (2004) gebaut und einfach stehen gelassen (hier rechts im Bild zu sehen).


Apropos Film

Aufgrund seiner mystischen Atmosphäre und verfallenen Schönheit diente der Beng Mealea-Tempel als Filmkulisse für einige weitere Hollywood-Produktionen. Unter anderem wurden hier – außer im Ta Phrom – auch einige Szenen für “Tomb Raider” (2001) gedreht. Vor allem aber mehrere Sequenzen für “Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels” (2008).

Später diente die Anlage auch als Kulisse für “The Red Tent” (2014) – eine Miniserie, die die Geschichte von Abraham und seiner Familie erzählt.

Überhaupt finden sich allerorts religiöse Symbole, allerdings nicht aus der Bibel, sondern eher aus dem hinduistischen und buddhistischen Glauben.

An einigen Außenmauern der verfallenen Tempel entdecken wir auch die allgegenwärtigen Apsaras (Himmlische Tänzerinnen”). 

Das sind jene schon oft beschriebenen mythologischen Wesen, die besonders in den Kulturen Südasiens, einschließlich Indien und Kambodscha, eine bedeutende Rolle spielen.

Übrigens wie die glücksbringenden “Nagas” (Foto rechts). Diese schlangenähnlichen Wesen gelten unter anderem als Beschützer von Gewässern und symbolisieren gleichzeitig Fruchtbarkeit.

Architektonisch sind Darstellungen von Nagas in Tempeln weit verbreitet. Sie schmücken Geländer von Treppen, Brücken und werden in Form von Reliefs, Skulpturen oder Statuen präsentiert. So wie hier, im Beng Mealea-Tempel.

Die Steinmetzarbeiten sind zwar im Vergleich zu den sehr detailreichen Arbeiten in Angkor Wat eher schlicht, aber in ihrem zum Teil überwucherten Zustand besonders faszinierend.


Unser Fazit

Bei einer Exkursion zum Dschungel-Tempel fühlt man sich wie ein echter Abenteurer. Insbesondere dann, wenn man – wie wir – mit einem Motorroller zum Beng Mealea-Tempel fährt. Für uns ist dieses Heiligtum das interessanteste “Gegenstück” zu den restaurierten und gut gepflegten Tempeln auf dem Hauptareal von Angkor. Sogar Kühe haben diesen urwüchsigen Platz für sich entdeckt und grasen friedlich vor sich hin!

In Kambodscha gelten diese Tiere zwar nicht als heilig, wie beispielsweise in weiten Teilen Indiens. Allerdings erinnern sie uns daran, dass das Erbe des Beng Mealea-Tempels nicht nur in der historischen Pracht der majestätischen Ruinen liegt. Sondern auch in der direkten Verbindung mit der Natur und dem kambodschanischen Landleben, das wir schon auf der Hinfahrt so sehr genossen haben.


© Text und Fotos: Jörg Baston. Redaktion: Nathalie Gütermann


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