Bait al Safah: Schatztruhe von Al Hamra
Das “Bait al Safah”-Museum, untergebracht in einem restaurierten Herrenhaus im Dorf Al Hamra, ist eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten in ganz Oman. Es wirkt wie ein lebendiges Geschichtsbuch, denn anders als in anderen Museen demonstrieren Einheimische uralte Handwerkskunst: Von Backen, Weben, und Töpfern bis hin zur Korbflechterei und Dattelverarbeitung. Nirgendwo sonst bekommen Besucher einen besseren Einblick in die faszinierende omanische Kultur als hier.
Bevor wir Sie auf einen Rundgang durch das Erlebnismuseum “Bait al Safah” mitnehmen, möchten wir zunächst auf das mehr als 400 Jahre alte Dorf Al Hamra am Fuße des Hadschar-Gebirges eingehen. Dieses ist nämlich eine geradezu idealtypische kleine Oasenstadt.
Das Dorf “Al Hamra”
Bereits im späten 17. Jahrhundert, während der Herrschaft von Imam Saif bin Sultan, wurde das Gebiet von den Al Abri-Stämmen besiedelt. Damit gehört Al Hamra zu den ältesten Gemeinden im Oman.
Die Altstadt präsentiert sich wie eine Filmkulisse. Spontan denke ich: Hier könnte man problemlos einen historischen Spielfilm mit mittelalterlichen Szenen drehen. Denn vom Neubauviertel in der Nachbarschaft einmal abgesehen, sind im Al Hamra Dorfkern nur noch die Ruinen von verlassenen Lehmhäusern übrig geblieben.
Das Asien-Lifestyle-Team hat ja schon einige Ruinendörfer im Oman besucht. Zum Beispiel haben wir in diesem Reiseblog die Bergoasen Birkat al-Mouz oder Misfah al Abriyyin ausführlich beschrieben. Beide Dörfer sind unbedingt einen Besuch wert, nicht zuletzt wegen des berühmten, von der UNESCO gelisteten Falaj-Bewässerungssystems. Doch auch in Al Hamra lohnt es sich, durch die engen Gassen zu schlendern…
… und die unterirdisch verlaufenden Wasseranlagen und verfallenen Bauten zu besichtigen. Zu entdecken gibt’s hier jedenfalls genug.
Die Dorfarchitektur besteht hauptsächlich aus mehrstöckigen Lehmziegel- und Steinhäusern im jemenitischen Stil, die eng aneinander gebaut wurden.
Die traditionellen Gebäude sind insbesondere für ihre dicken Mauern und palastähnlichen Strukturen mit Türmen bekannt. Diese dienten einst dazu, die Luftzirkulation zu verbessern und die Häuser auch in großer Hitze kühl zu halten.
Während wir durch Al Hamra spazieren, können wir uns gut vorstellen, wie die Einwohner früher in diesem Dorf gelebt haben. “Tempus fugit”, doch das Vermächtnis der Vergangenheit bleibt. Beim Rundgang durch die liebevoll renovierte Residenz “Bait al Safah” werden wir noch intensiver in die Annalen der omanischen Geschichte eintauchen. Doch davon später…
Idyllische Gemeinde
Zunächst führt uns unser Weg quer durch die Dattelpalmen-Plantage und an einem Falaj-Kanal entlang.
Am Ende dieses Sträßleins – so jedenfalls haben wir es auf einem verwitterten Schild gelesen – soll es ein kleines Café geben. Und tatsächlich: In einem parkähnlichen Gelände unter einem dichten Palmendach steht dieser mobile Coffee-Shop, untergebracht in einem blau angestrichenen Wagon.
Hübsch ist es hier. Mit Seilen umspannte Brücken führen zu diversen schattigen Plätzchen auf mehreren Holzplateaus, wo man Kaffee und Kuchen genießen kann, bevor man sich zum Erlebnismuseum “Bait al Safah” begibt. Springbrunnen sorgen für einen Hauch von Erfrischung in der Mittagshitze.
Nach dieser kleinen Stärkung geht’s los mit unserer Erkundungstour.
Zeitreise im “Bait al Safah”
Kaum sind wir ins historische und unter Denkmalschutz stehende “Bait al Safah” eingetreten, werden wir ins Vorvorgestern katapultiert.
Wir sind begeistert! Bekommt man doch während einer einstündigen “Zeitreise” einen intensiven Einblick in eine faszinierend fremdartige Welt.
Im “Bait al Safah” im Al Hamra-Dorf sind die Uhren definitiv stehen geblieben!
Dank des traditionsbewussten Besitzers Sulaiman Al Abri können historisch und kulturell interessierte Personen am Alltagsleben vergangener Generationen hautnah teilhaben.
Unser Rundgang im Detail…
Die “Bait al Safah”-Residenz, deren Name so viel wie “Haus des Wohlstands” bedeutet, ist mehr als nur ein (innen)architektonisches Meisterwerk.
Es ist in jeder Beziehung ein Symbol für die Bewahrung der omanischen Identität. Insofern könnte man es auch als das “Haus der Traditionen” bezeichnen.
Alles wird bei einer Hausführung im Detail erklärt und demonstriert. So zum Beispiel diverse Handarbeiten, die vormals den Alltag der Bevölkerung dominierten.
Das historische Bauwerk
Das uralte Herrenhaus besteht ausschließlich aus Lehm und Steinwänden.
Bemerkenswert sind in diesem Gebäude die original erhaltenen Holztüren uns das Holzbalkendach.
Generell ist das Haus eher dunkel und so bleiben die 10 Räumlichkeiten, die man hier besichtigen kann, stets angenehm kühl. Nur gelegentlich stehlen sich ein paar Sonnenstrahlen durch die wenigen Fenster und Luken und zaubern faszinierende Licht- und Schatten-Effekte auf die ockerfarbenen Wände.
Wie es in arabischen Ländern üblich ist, schmücken unzählige Teppiche, Strohmatten und Kissen die Steinböden. Lager- und Arbeitsräume sind eher schlicht gehalten, die Empfangsräume hingegen sind gemütlich. Nur ein paar Ventilatoren und Lampen erinnern daran, dass man sich im 21. Jahrhundert befindet.
Die Ausstellung umfasst Alltagsgegenstände, alte Bücher, Werkzeuge und Kleidungsstücke…
… sowie traditionelle Kochutensilien, Tonwaren und Weihrauchgefäße aus dem alten Oman.
Das “Bait al Safah” ist im wahrsten Sinne die Schatztruhe von Al Hamra!
Neben kostbaren Schmuckstücken aus Silber und Gold, die in Glasvitrinen ausgestellt werden, entdecken wir auch einige echte Antiquitäten.
Und… ach ja, bevor wir’s vergessen: Einige Dolche mit aufwendig verzierten Silbergriffen und antike Gewehre aus verwitterten Holz sind ebenfalls Teil der umfassenden Sammlung.
Die Küche
Während der obligatorischen Bait-Führung besichtigt man jedoch nicht nur die in ihren Originalzustand verbliebenen und liebevoll renovierten Räumlichkeiten und Ausstellungsstücke. Vielmehr kann man hier auch aktiv “am Geschehen” teilhaben – insbesondere in der mittelalterlich anmutenden Küche.
Dort demonstrieren mehrere einheimischen Frauen, wie anno dazumal Mehl gemahlen oder Kaffeebohnen und Erdnüsse geröstet wurden.
“Kommen Sie…,” sagt eine der verschleierten Omani-Damen zu mir, “… probieren Sie mal…!”
Zeitgleich wird in einer anderen Ecke Teig zubereitet, mit allerlei Zutaten versehen und danach auf einer speziellen Heizplatte über dem offenen Feuer gebacken. In dieser Küche wird noch mit den einfachsten Mitteln und Materialien gearbeitet. Und wie man sieht… es funktioniert prima!
“Mmh – köstlich.” Es geht doch nichts über ein warmes, frisches und knuspriges Fladenbrot à la Oman!
Außerdem dürfen Besucher auch hausgemachte Honigsorten und Öle probieren, oder auch ihr ganz eigenes Parfum aus natürlichen Ingredienzien kreieren.
Zur Erinnerung ein kleines Souvenir gefällig? Wie wär’s mit einer reichhaltigen Körperlotion oder einer hochwertigen, zart-duftenden Bio-Seife – natürlich “handmade in Oman”?
Wohnzimmer & Dachterrasse
In einem sehr großzügig geschnitten Raum bobachten wir einen Omani, wie er an einem alten Webstuhl die schönsten Textilien webt – darunter Schals, Läufer und Berberteppiche.
Die Muster und Farben sind brilliant, ebenso wie die kunstvoll verschlungenen Kordeln mit Schlüsselanhänger, die man hier im “Bait al Safah” direkt vom Künstler erstehen kann.
Vom Wohnzimmer aus führen mehrere kleine Treppen hinauf auf die Dachterrasse. Man beachte auch hier wiederum die Decke, deren Balken aufwendig verziert sind.
Der Aufgang ist etwas abenteuerlich, und von einer Überdachung kann nicht wirklich die Rede sein. Ich frage mich was passiert, wenn es hier einmal regnet.
Die Dachterrasse ist insofern besonders erwähnenswert, als man von dort oben einen fantastischen Blick auf die alten Häuser und ihre Gärten hat.
Auch die saftig-grünen Palmenhaine und die Hadschar-Bergkette kann man aus dieser Perspektive gut bewundern.
Der Empfangsraum
Da das “Heimatmuseum” nicht nur Besichtigungen dient, sondern auch als ein Ort der Begegnung und des Austauschs mit Besuchern aus der ganzen Welt fungiert, ist das “Majlis” (= Versammlungsort) der wichtigste Raum im Hause.
Damals wie heute ist es üblich, dass Gastgeber und Gäste sich hier treffen, um soziale Kontakte zu pflegen, Geschichten auszutauschen und gemeinsam Tee oder Kaffee zu trinken.
Der traditionellen Etiquette folgend nehmen wir auf dem Boden Platz und genießen außer den Getränken auch die exquisiten Datteln, die uns unser Guide serviert.
Apropos Datteln: Die für Oman typischen Früchte werden traditionell in den unteren Etagen der Häuser gelagert und getrocknet, doch das ist noch längst nicht alles. Während der Kaffeepause bekommen wir die Gelegenheit, unseren omanischen Führer Al-Moata Sim mit allerlei Fragen zu löchern.
Zum Beispiel, warum mehrere Innenwände mit dem dunklen, klebrigen und dickflüssigen Dattelsirup bestrichen sind.
Seine Antwort: Das Bestreichen der Wände mit Dattelsirup ist eine alte omanische Praxis zum Isolieren von Innenwänden. Denn der Dattelsaft hat gute thermische Eigenschaften, ist wasserdicht und wirkt antibakteriell.
Darüber hinaus schützt er die Struktur der Lehmwände vor Rissen oder Abnutzung. Bis heute findet diese Technik noch gelegentlich Anwendung in alten Häusern. So wie hier!
Unser Fazit
Der Besuch im Erlebnismuseums “Bait al Safah” transportiert den Besucher in eine übrigens noch gar nicht so weit zurückliegende omanische Zeit. Außerdem ist an diesem Ort die Essenz des Landes allerorts sichtbar und spürbar. Geschichte & Kultur “zum Anfassen”!
Lassen auch Sie sich von süßlichen Weihrauch-Düften und den uralten orientalischen Traditionen verzaubern, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Nirgendwo sonst werden die Lebensweisen und Bräuche des Landes so authentisch und hautnah präsentiert, wie in Al Hamras Herrenhaus aus Lehm und Stein.
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston
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