Balis Reisterrassen: “Himmelstreppen der Götter”

Balis Landschaftsbild ist von ausgedehnten, saftig-grünen Reisterrassen geprägt. Das tropische Klima, die Bergseen und die fruchtbaren Vulkan-Böden sind ideal für den Anbau des wertvollen Getreides. Die “Tegallalang & Jatiluwih Rice Terraces” in der Nähe von Ubud sind wahre Meisterwerke der Baukunst. Wir waren vor Ort und erzählen Ihnen, warum Reis nicht nur ein Grundnahrungsmittel ist, sondern auch ein Symbol für Leben, Fruchtbarkeit und Spiritualität.

Die Reisterrassen auf der indonesischen Insel Bali, von den Einheimischen liebevoll als “Himmelstreppen der Götter” bezeichnet, wurden im Jahr 2012 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die überaus malerisch gelegenen terrassierten Hänge sind ebenso wie die weitläufigen Reisfelder in der Ebene ein zentraler Bestandteil der Landwirtschaft.

Teilweise sind sie für Besucher geöffnet. Wer mag, kann dort spazieren gehen und den Reisbauern bei der Arbeit zusehen – so wie ich. Oder auch mal beim Reisdreschen. Wenngleich auch nur für’s Foto… 🙂

Die Erntezeiten können je nach Anbautechniken, Reissorten und regionalen klimatischen Bedingungen variieren. In der Regel findet die Haupterntezeit zwischen März und Juni sowie zwischen September und Dezember statt.

Je nachdem, zu welcher Zeit Sie die Reisterrassen besuchen, erwartet Sie ein anderes Landschaftsbild. Vor allem zum Ende der Regenzeit, etwa von Januar bis März, erstrahlen die Felder in üppigem Grün. Ansonsten schimmern die Reispflanzen in goldgelben bis beigen Schattierungen.

Ertragreiche Reissorten werden übrigens direkt vor Ort gedroschen und in Säcken zu einer Reismühle gebracht. Alles läuft hier noch in Handarbeit ab.


Die Kunst des Reisanbaus

Ähnlich wie in einigen Regionen von Thailand und Vietnam sind die kunstvoll angelegten Reisterrassen oftmals in den Hügeln zwischen hoch aufragenden Palmen angelegt, um sie vor Erosion zu schützen.

Man nennt diesen terrassenförmigen Bau auch “konstruierte Landschaft”. Auf Bali wird der Reisanbau oft durch das Subak-System organisiert, ein traditionelles balinesisches Bewässerungssystem, das die gemeinschaftliche Wassernutzung regelt.

Des Weiteren ist die Kontrolle des Wasserstands in den Feldern entscheidend, um sicherzustellen, dass die Reispflanzen die benötigte Menge Wasser erhalten. Dies erfordert oft das Anlegen von Dämmen und Kanälen. Eine präzise Planung und Umsetzung ist hierfür unumgänglich.


Spirituelle Reisfeld-Zeremonien

Das erwähnte Subak-System basiert auf der Philosophie des Tri Hita Karana, was so viel bedeutet wie das Streben nach Harmonie zwischen Mensch, Natur und Gott. Detailliertere Informationen dazu erfahren Sie in unserem Bericht über den “Heiligen Affenwald in Ubud”. Oftmals haben die Subak-Genossenschaften auch religiöse Führer, die für die Durchführung verschiedener Rituale verantwortlich sind.

Die Balinesen glauben, dass die Natur von göttlichen Kräften bewohnt ist. Sie verehren vor allem die Göttin Dewi Sri als die Beschützerin der Reisfelder. Überall sehen wir am Rande von Reisterrassen oder in Reisfeldern Schreine mit Opfergaben, die zuvor mit geweihtem Wasser besprenkelt wurden.

Die Arbeit auf dem Feld ist daher eine Form der Verehrung, und religiöse Zeremonien sind daher fester Bestandteil während des Anbaus. Es gibt die unterschiedlichsten rituellen Handlungen, um die Pflanzung, das Wachstum und die Ernte zu segnen.

Die Menschen auf Bali betrachten den Reisanbau also keineswegs nur als landwirtschaftliche Tätigkeit, sondern als eine heilige Pflicht.

Während unserer Rundreise quer durch Bali haben wir immer wieder Bauern beim Gebet gesehen. Sie bitten ihre Reisgöttin um Schutz, Fruchtbarkeit und eine reiche Ernte.


Reissorten

Es gibt viele verschiedene Reissorten, die sich in Farbe, Größe und Geschmack unterscheiden können. Uns sind in der Regel drei Sorten bekannt: der weiße Langkornreis, Rundkornreis und Mittelkornreis.

Bei rötlichen, gelben und braunen Reissorten handelt es sich um Natur- oder Vollkornreis. Auf Bali wird Subak Abian angebaut, ein bekannter Reis aus den Bergen. Beliebt ist auch der berühmte schwarze Reis “Inpari 9”. Dieser hat eine dunkle Farbe und wird für seine ernährungsphysiologischen Vorteile geschätzt.


Anbauphasen

Der Reisanbau beginnt mit dem Pflügen und der intensiven Vorbereitung der Felder. Anschließend wird die Reissaat in spezielle “Nurseries” gepflanzt. hierbei müssen die Bauern oft im knietiefen Wasser stehen, um die Schösslinge zu setzen.

Diese Feldarbeit ist extrem anstrengend, ebenso wie das nachfolgende Umpflanzen der Setzlinge. Was oft vergessen wird: Die ständig feuchte Umgebung begünstigt das Wachstum von Unkraut, deshalb müssen die Landwirte es ständig jäten. Hin und wieder werden auch Kühe als Arbeitstiere eingesetzt.


Die Ernte

Bei der Ernte schneiden die Frauen die Halme mit einem kleinen in der Hand verborgenen Messer ab, um die Reisgöttin nicht zu verärgern!

Moderne landwirtschaftliche Technologien könnten den Arbeitsaufwand zwar reduzieren, aber in vielen Anbaugebieten wird der Reisanbau nach wie vor auf traditionelle Weise praktiziert.


Frucht oder Pflanze?

Na, hätten Sie’s gewusst?

Reis ist keine Frucht im biologischen Sinne, sondern ein Getreide, das aus den Samen der Reispflanze gewonnen wird. Botanisch betrachtet handelt es sich bei Reis um ein Gras aus der Familie der Süßgräser. Die essbaren Teile der Reispflanze sind lediglich die Körner, die sich an der Spitze der Grashalme befinden. Diese werden erst geerntet, wenn sie komplett ausgereift sind.

Reiskörner bestehen hauptsächlich aus Stärke, die leicht verdaulich sind und schnell sättigen. Daher gelten sie als das wichtigste Hauptnahrungsmittel für einen Großteil der Weltbevölkerung.


Tegallalang Reisterrassen

Die Tegalalang-Reisterrassen, auch Ceking Rice Terraces genannt, gehören zu den schönsten Feldern der Insel und sind auch wegen ihrer Nähe zu Ubud besonders beliebt und daher frequentiert.

Wie eingangs erwähnt, können Besucher durch die Reisfelder spazieren, sofern sie auf den markierten Pfaden bleiben. Der Eintritt zu den Reisterrassen ist grundsätzlich kostenlos, doch an einigen Wegen, die einen besonders bequemen Zugang zu den Terrassen bieten, wird eine kleine Spende für die Instandhaltung verlangt.

Die in sattem Grün leuchtenden Felder mit ihren Scheunen, gesäumt von hohen Kokospalmen, sind zweifellos eine Augenweide. Hier lohnt es sich, einfach mal innezuhalten und die Szenerie in sich aufzunehmen.

Wir haben Glück und treffen während unseres Spaziergangs ein paar balinesische Mädchen. Wie wir erfahren sind sie auf dem Weg zu einem Tempelfest in dem nahegelegenen Quelltempel Tirta Empul.

Sie tragen “Banten Canang Sari” – das sind farbenfrohe, aus Palmblättern geflochtene Körbe, die Opfergaben für die Götter enthalten. Diese können aus Früchten, Blumen, Reis, Kuchen und auch aus Geld bestehen.

Immer wieder faszinierend und ein prächtiger Kontrast zu den leuchtend-grünen Reisfeldern: Die farbigen Sarongs, die mit den Kebayas (eine Art Bluse, die oft aus feiner Spitze oder dünnem Stoff hergestellt ist) getragen werden. Sie sind oft mit Batikmustern verziert, die durch eine spezielle Färbetechnik entstehen.


Jatiluwih Reisterassen

Von Ubud rund eine Stunde entfernt, quasi in der Mitte der Insel und weit im Hinterland, befinden sich die größten Reisterrassen auf Bali.

Sie haben eine Fläche von 600 Hektar und es erfordert ein wenig Mühe, die Felder zu erreichen. Am besten, man fährt mit einem Mietwagen dorthin. In unmittelbarer Umgebung gibt es nichts als Farmland und ein paar kleinere Dörfer. Auch hier auf den Feldern zu sehen: die obligatorischen Reis-Schreine.

Noch sind die Jatiluwih Reisterassen nicht überlaufen – wie das bei den Tegallalang-Terassen zunehmend der Fall ist. Hier kann man noch in vollen Zügen das ursprüngliche Bali erleben.


Unser Fazit

Ganz gleich ob im Alltag, in der Kunst oder in der Kultur Balis: Überall spiegelt sich die unglaubliche Bedeutung von Reis wider. Traditionelle Tänze, Lieder, Gemälde und Anekdoten erzählen von der engen Verbindung zwischen den Menschen und ihrem Reisanbau.

Und wie Sie auf unseren Bildern gesehen haben: Die Reisterrassen selbst sind nicht nur landwirtschaftliche Flächen, sondern auch visuelle Kunstwerke, die die Schönheit der Landschaft prägen.

Insgesamt ist die Geschichte des Getreides eine Erzählung von Leben, Gemeinschaft, Spiritualität und kultureller Identität auf der “Insel der Götter”.


© Text und Fotos: Jörg Baston & Nathalie Gütermann