Cameron Highlands: Das “Jim Thompson”-Rätsel
❂ Jim Thompson galt als “Silk Tycoon” – als “Seidenkönig” ❂ Denn der amerikanische Unternehmer aus Bangkok war für die Wiederbelebung der thailändischen Seidenindustrie verantwortlich. Seine farbenfrohen, bedruckten Stoffe auf Kleidung und Wohnaccessoires sind weltberühmt; in fast jeder großen Stadt gibt es eine “Jim Thompson Boutique”. Privat liebte er die Natur und war oft bei Freunden in den Cameron Highlands zu Gast. Doch dann, am Ostersonntag im März 1967, machte er einen Spaziergang in den Dschungel und ward nie wieder gesehen. Was um alles in der Welt war geschehen…?
James Harrison Wilson “Jim” Thompson ist sowohl für sein Seidenimperium in Thailand berühmt, aber auch für sein rätselhaftes Verschwinden, das die Gerüchteküche bis heute brodeln lässt. Das Cameron Highlands Resort hat diese mysteriöse Geschichte aufgegriffen und bietet seinen Gästen einen exklusiven, dreistündigen “Jim Thompson Mystery Trail” an.
Der Bezug zum Hotel kommt nicht von ungefähr, denn Thompson war ein regelmäßiger Gast im Hause. Gerne schwang er den Schläger auf dem vorgelagerten Golfplatz und begab sich danach meist zum “Afternoon Tea” in den wunderschönen Teesalon, der heute nach ihm benannt ist: “Jim Thompson Tea Room”.
Streng genommen startet unser Trail also bereits in den Räumlichkeiten des Resorts. Außerdem gibt es ihm zu Ehren auch eine Jim Thompson Silk Boutique, die sich direkt neben einem hübsch angelegten Fischteich befindet.
Hier können Hotelgäste wunderbare Seidenkleider, Seidenkrawatten und andere Kleidungs- und Geschenkartikel aus reiner Thai Seide erstehen…
… und sich nebenbei diverse Memorabilien und Fotografien in den Gängen, Lobbies und Salons ansehen, die Szenen aus dem Leben des berühmten Seidenkönigs zeigen.
Jim Thompson Mystery Trail
Es gibt nur einen Mann, der bestens über die Lebensgeschichte des verschwundenen Unternehmers Bescheid weiß: “Madi” heißt der sympathische Naturalist des Cameron Highlands Resorts, der uns auf dem geheimnisvollen Pfad “führen” wird.
Er kennt jedes Buch, jeden Presseartikel, jedes Gerücht, jede Verschwörungstheorie, die über den Amerikaner verbreitet wurde. Und er kennt auch alle Orte, wo sich JT kurz vor seinem Verschwinden aufgehalten hat.
Diese Locations möchte er uns zeigen. Also nichts wie los…
Allein das macht es schon spannend! Auch kennt Madi einige Einheimische, nämlich Nachfahren von “Zeugen”, die in irgendeiner Form an jenem denkwürdigen Nachmittag involviert waren, als “JT” für immer verschwand. Der Erdboden hatte diesen Mann einfach verschluckt.
Jahrzehnte sind seither vergangen, doch viele Menschen lässt dieses spurlose Verschwinden einfach nicht los. Sie pilgern in Scharen aus allen Ecken der Welt in die Cameron Highlands. Nun wandeln wir also – Dank Madi – auch auf den Spuren des Verschollenen.
Hier zum Beispiel der Stein, auf dem der Unternehmer zuletzt gesessen haben soll, als er während seines “letzten” Spaziergangs eine Rast einlegte.
Was wir wissen…
Man schreibt das Jahr 1967. Genauer: Thompson verschwand am Ostersonntag, den 26. März ’67.
2 Tage zuvor…
Am 24. März hatte der Geschäftsmann sein Haus in Bangkok verlassen, das übrigens heute eine der Hauptsehenswürdigkeiten in Thailands Hauptstadt ist. Darauf komme ich am Ende dieses Berichts noch im Detail zu sprechen.
Bis heute gilt er als einer der bekanntesten westlichen Ausländer in Asien. Besonders in Thailand fühlte er sich wie zu Hause – sein Heim hatte er sehr stilvoll und mit zahlreichen Antiquitäten ausgestattet, er hatte einen großen Freundeskreis und die Geschäfte hätten nicht besser laufen können.
Königin Sirikit von Thailand war eine seiner treuesten Kundinnen.
Beide teilten die Liebe zu handgewebter Seide. Während Jim die thailändische Seidenproduktion organisierte und modernisierte, schuf Königin Sirikit sowohl einen inländischen als auch einen internationalen Markt für diesen Stoff.
Selbstmord? Ach wo! Jim hatte Geld, Status und Erfolg – nichts hätte ihn von dieser Bahn abgebracht. Hier ein netter Schnappschuss zu Lebzeiten: JT mit seinem regelmäßigen “Begleiter” – einem schneeweißen Kakadu.
Wie er Freunden kurz vor Ostern mitgeteilt hatte, wollte er während der Feiertage der geschäftigen Hektik des Großstadtdschungel entfliehen.
Ein paar Tage “im Grünen” würden ihm sicherlich guttun, dachte er sich wohl. Der starke Raucher litt an Herzrhythmusstörungen, und da er speziell die Cameron Highlands sehr liebte, konnte er dort frische Kraft tanken…
Nichts, aber rein gar nichts, deutete auf eine sich anbahnende Tragödie hin.
Bekannt ist, dass er seine langjährige Bekannte Constance Mangskau in Penang traf, um sich schließlich gemeinsam mit ihr auf den Weg in die Highlands zu machen. Sein Ziel: dieses wunderschöne Landhaus.
1. Trail-Station: Moonlight Cottage
Der damalige Hausbesitzer Dr. Ling Tien Gi, ein singapurisch-chinesischer Chemiker und seine amerikanische Frau Helen Ling, waren sehr gute Freunde von Jim Thompson. Und bei ihnen wohnte der Amerikaner oft, wenn er in Malaysia zu tun hatte. Das Gästezimmer im ersten Stock war quasi immer für JT reserviert!
Das mittlerweile berühmt-berüchtigte Anwesen, hoch oben auf einem Hügel gelegen und mit herrlichem Blick über das Hochland und das Tal, ist unser erster Halt auf dem “Jim Thompson Mystery Trail”!
“Privates Grundstück” steht auf einem völlig verwitterten Schild am Ende eines holprigen Waldweges, den wir mit einem klimatisierten Van erklimmen. Mit anderen Worten: dieser Ort ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Enttäuscht schaue ich zu Madi, denn ich hätte das sagenumwobene Moonlight Cottage doch so gerne gesehen.
Immerhin begann das Rätsel um Jim Thompson genau dort, im prächtig angelegten Garten des Anwesens.
Madi lächelt… “Kein Problem, Miss Nathalie!” Er kennt -… natürlich… – den Gärtner des Hauses. Der wiederum führt uns zu einem kleinen Weg, der unterhalb des Holzhauses zu einem von Blüten umrankten Pavillon führt.
Von dort habe ich einen wunderbaren Blick auf das charmante Haus, das heute nicht mehr der ehemaligen Besitzerfamilie gehört.
Ein wenig verstohlen stehe ich auf der wunderbar manikürten Rasenfläche und rufe mir ins Gedächtnis, was damals hier passiert ist…!
Ostersonntag am Nachmittag
Während sich seine Freunde nach dem frühen Kirchgang und einem anschließenden späten Mittagessen zu einem Nickerchen zurückzogen, blieb Thompson bei herrlichem Wetter im Garten sitzen und entschied sich dann zu einem Spaziergang. Bevor er ging, winkte er Frau Ling und Frau Mangskau noch fröhlich zu und rief. “Wir sehen uns dann zum Dinner..” Sprach’s – und begab sich in Richtung Urwald.
Offenbar hatte JT wirklich nur einen kleinen Walk geplant. Denn obgleich er ein notorischer Kettenraucher war, lagen Thompsons Zigarettenschachtel plus Feuerzeug auf dem Gartentisch. Auch hing sein Jackett über der Stuhllehne. Demnach wollte er wirklich nur “kurz” durch die Gegend flanieren…!
Merkwürdig: ein Koch aus dem Bungalow der “Lutheran Mission”, das sich in der Nähe des Moonlight Cottage befindet…,
… will den Amerikaner noch gesehen haben, wie er von der Hauptstrasse in diesen Waldweg abbog. Verwunderlich war dies allerdings nicht wirklich, denn offenbar war ihm der Dschungel nach vielen Besuchen in dieser Gegend wohlbekannt. Laut eigenen Aussagen gegenüber Freunden und Bekannten kannte er “jeden Pfad und jeden Ast”. Doch danach wurde Jim nie wieder gesehen!
Die Rufe von unserem Guide katapultieren mich in die Wirklichkeit zurück. “Wir haben noch einiges vor uns. Es geht weiter mit unserer Exkursion…”
2. Trail-Station: All Soul’s Church
Wie es heißt, soll Thompson am Morgen des Ostersonntags noch “mit von Partie” gewesen sein.
Ostersonntag am Vormittag
In aller Herrgottsfrühe hatten sich alle vier Bewohner des Moonlight Cottage auf den Weg zum Morgengottesdienst in der All Soul’s Church in Tanah Rata gemacht. Es handelt sich hierbei um eine anglikanische Kirche, die im Jahre 1958 erbaut wurde. Die Kirche ist für ihre englische Architektur bekannt und befindet sich inmitten der grünen Hügel von Cameron Highlands.
Makaber: Jahre zuvor soll eine Wahrsagerin Jim Thompson prophezeit haben, dass Gott ihn im Frühjahr des Jahre 1967 zu sich rufen würde. Die handschriftlichen Aufzeichnungen dieser Prophezeiung sind bis heute im Thompson Haus in Bangkok zu besichtigen. Das Dokument hängt dort eingerahmt in seinem öffentlich zugänglichen, ehemaligen Arbeitszimmer.
Natürlich hatte der als pragmatisch geltende Unternehmer nicht an solchen “esoterischen Humbug” geglaubt, wie er Freunden gegenüber erwähnte.
Und doch geschah eben im Frühjahr des Jahres 1967 Tage das Unerklärliche. Madi, unser Guide, nimmt sich Zeit und führt uns über das Gelände. In aller Ruhe beantwortet er all’ unsere neugierigen Fragen.
Nebenbei sei noch auf den überraschend modernen Anbau im hinteren Bereich der “All Soul’s Church” hingewiesen. Das möchten wir nicht unerwähnt lassen.
Während unseres “Jim Thompson Mystery Trail” halten wir an zahlreichen weiteren Locations, an denen Jim zuletzt gesehen wurde. Doch möchten wir an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, denn das sollten Sie bei Ihrem potenziellen Besuch in den Cameron Highlands selbst herausfinden…! 😉
Ungelöste “Thompson Akte”
Kommen wir zurück an den Ort, wo das “Verhängnis” begann und das Unfassbare unaufhörlich seinen Lauf nahm. Nachdem Jims ungewöhnlich lange Abwesenheit im Moonlight Cottage bemerkt worden war, wurde eine spektakuläre Suche eingeleitet.
Hatte er einen Unfall und war in eine tiefe Schlucht gestürzt? Oder hatte der starke Raucher an einem schwer zugänglichen Ort womöglich einen Herzinfarkt erlitten? Halt… vielleicht war er ja auch entführt worden. Manche Einwohner behaupten, an jenem Tag “schwarz gekleidete Männer” gesehen zu haben. Das aber entpuppte sich später als Gerücht.
Jedenfalls waren an der monatelangen Suche mehr als 500 Menschen beteiligt: Polizei, Militär, Geheimdienst, Journalisten, Wahrsager, Angehörige, Freunde und Einheimische. Jedoch ohne Erfolg. Niemand konnte einen entscheidenenden Hinweis geben. Nicht die geringste Spur wurde entdeckt – alles verlief im Nichts.
Zahlreiche Bücher wurden zu diesem Rätsel veröffentlicht, bei der jeder Autor seine eigene Lösung präsentiert(e).
Fakt ist: der Fall sorgte weltweit für Aufsehen und vor allem für heftige Spekulationen, denn bis zum heutigen Tage gibt es kein Licht im Dunkel…
Eine Theorie besagt, dass Jim zu weit in den Dschungel vorgedrungen sei. Möglicherweise war er dort von einem Tiger angegriffen worden (damals noch in den Cameron Highlands üblich) oder war in eine mit Nägeln gespickte Raubtierfalle gestürzt. Allerdings konnte diese Vermutung nie bestätigt werden, zumal in allen aufgestellten Urwald-Fallen weder Kleidungsstücke noch Knochenreste gefunden wurden.
Im Laufe der Zeit wurden die Theorien immer extremer. Da man einen Selbstmord ziemlich sicher ausschließen konnte, sprachen dubiose Hellsehr von Entführungen durch außerirdische Wesen. Andere spekulative Motive umfassten wirtschaftliche Gründe.
Beispiel: Rache von chinesischen Mittelmännern, deren Handel er beeinträchtigte. Also von Rivalen, die ihn aus dem Seidenhandel drängen wollten.
Es gab auch politische Spekulationen, die auf seine möglichen Insider-Informationen zu Agentenaktivitäten in Vietnam und seine Ablehnung der US-Politik in Indochina hinwiesen. Wieder andere behaupteten, thailändische Provokateure könnten ihn ausgeschaltet haben. Angeblich hatte er die amerikanische Regierung gegen den immer umfangreicheren Waffenhandel mit dem thailändischen Militär gewarnt.
Dazu muss man wissen: Während des Zweiten Weltkriegs kam James H.W. “Jim” Thompson zum Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS). Von 1942 bis 1945 war dies ein Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten. Daraus ging später das CIA hervor.
Die ehemalige Mitgliedschaft im OSS war für manche ein Sprungbrett für wirtschaftliche Karrieren. Doch obgleich JT diesem Weg ebenfalls folgte und in der Seidenindustrie Fuss fasste, wurde er sein Leben lang mit nachrichtendienstlichen Einsätzen und Spionage in Verbindung gebracht. Eine ganz neue TV-Dokumentation beschuldigt die Kommunistische Partei von Malaya (CPM), Jim Thompson beseitigt zu haben.
Sicher ist: wir werden die Wahrheit nie erfahren. Und so kann jeder Interessierte an seiner ganz persönlichen Verschwörungstheorie basteln.
Das “Jim Thompson House” in Bangkok
Nachdem keine direkten Nachfahren des Unternehmers existierten, wurde das absolut sehenswerte Privathaus von JT in Bangkok als “Museum” in die James H.W. Thompson Foundation eingebracht. Es ist exakt so geblieben, wie es der mutmasslich verstorbene Besitzer einst verlassen hat.
Die Stiftung wurde 1976 gegründet und hat die Aufgabe, das Erbe des “Silk King” zu bewahren.
Thompsons Anwesen im Herzen von Bangkok ist für seine einzigartige Architektur und äußerst wertvolle Kunst- und Antiquitätensammlung bekannt. Doch ist es vor allem die Aura des Mystischen, die die Adresse in der Soi Kasemsan zu einem magischen Anziehungspunkt macht.
Das “House on the Klong” wurde 1958 erbaut. Das gesamte Anwesen besteht aus sechs traditionellen thailändischen Teak-Häusern, die ursprünglich aus Ayutthaya stammen.
Jim erwarb sie, lies sie abbauen und schließlich originalgetreu in Bangkok wieder aufbauen. Hier sehen Sie das heutige Restaurant, eingebettet in eine idyllische Gartenoase.
Das Jim Thompson House ist wegen seiner thailändischen Architektur und der wertvollen asiatischen Kunstsammlung ein einzigartiges historisches Wahrzeichen, das Besucher aus aller Welt fasziniert. Auch mich! Hier sind einige Impressionen, die ich exklusiv von der Thompson-Stiftung* für meinen Lifestyle- und Reiseblog zur Verfügung gestellt bekam.
Das Entrée und die repräsentative Empfangs-Lobby.
Der 1. Stock mit den Privatgemächern.
Jim Thompsons Schlafzimmer.
Das angrenzende Gästezimmer mit einem Arbeitszimmer im Hintergund.
Das Esszimmer mit Schränken voller wertvollem Porzellan und Silber.
Details im Wohnzimmer. Farbenfrohe Seidenkissen und antike Statuen.
Das Wohnzimmer mit Parkettboden und Zugang zum Außenbereich.
Das Jim Thompson House mit Garten in der Abendstimmung.
Unser Fazit
Wer auf den Spuren des bekannten Seidenkönig Jim Thompson wandeln möchte, sollte unbedingt zwei Destinationen und Exkursionen miteinander verbinden: die Cameron Highlands mit dem “Jim Thopson Mystery Trail” sowie Thailand mit dem “Jim Thompson House” in Bangkok. Erst wer beide Locations gesehen hat, ist in der Lage, einzelne Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Spannend ist es allemal, denn die ungelöste “Akte Thompson” hat selbst 5 Jahrzehnte nach Jims Verschwinden nichts von ihrer Faszination eingebüst. Vielleicht haben Sie ja Lust, mitzurätseln?
© Text: Nathalie Gütermann. Fotos: Jörg Baston/Nathalie Gütermann
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