Jaisalmer: Kamel-Reiten in der Wüste
Eine Tour auf einem Dromedar durch die Wüste Thar ist sicherlich eines der unvergesslichsten und einzigartigsten Abenteuer in Rajasthan. Man wird eins mit der faszinierenden Wüstenlandschaft und kann die Wüstenkultur authentisch erleben.
Wüste Thar
Die Thar, auch bekannt als die Große Indische Wüste, ist ein Wüsten- und Halbwüstengebiet im Nordwesten Indiens und erstreckt sich über Teile des Bundesstaates Rajasthan sowie in die benachbarten Regionen von Gujarat, Punjab und Haryana. Es handelt sich zur Hälfte um eine Sandwüste, ebenfalls mit typischen Dünen.
Mit einer Fläche von etwa 200.000 Quadratkilometern ist die Thar-Wüste eine der größten Trockenregionen der Welt, mit nur karger Vegetation und heißem, trockenem Klima.
Schon vor Jahrhunderten haben sich hier einige bedeutsame Siedlungen herausgebildet, die sich wie Oasen über die Region verbreiten. In Rajasthan liegen berühmte Wüstenstädte wie Jaisalmer und Bikaner, die oft als Tore zur Thar-Wüste bezeichnet werden.
Kamele
In Rajasthan gibt es 80.000 Kamele bzw. Dromedare, das sind ca. 70% aller Kamele Indiens. Während Trockenperioden können die Tiere ein bis zwei Wochen lang ohne Wasser und Nahrung auskommen. In dieser Zeit wird die Harnproduktion und Atmung reduziert, und die benötigte Arbeitsenergie wird durch den Abbau des im Höcker gespeicherten Fettes gewonnen.
Das Kamel kann seinen Wasserbedarf über einen längeren Zeitraum durch den Verzehr von Grünfutter decken. Sogar harte Dornbüsche kommen als mögliche Nahrungsquelle infrage. Im Gegensatz zu Menschen können Kamele sehr hohe Temperaturen (ca. 38 Grad Celsius) problemlos aushalten.
Nomadenstämme sind vorwiegend für die Zucht von Reit- und Zugkamelen verantwortlich. Die besten Kamele zeichnen sich durch einen schlanken Hals und kleinen Wuchs aus. Siehe auch Bikaner “National Research Centre on Camel”.
Lastkamele (Bikaneri ) können Lasten von bis zu 400 kg tragen. Reitkamele (Jaisalmeri) sind kaum langsamer als Pferde und können täglich etwa 150 km zurücklegen.
Trotz der wachsenden Verbreitung von Fahrzeugen bleibt das Kamel in der Wüste ein unverzichtbares Verkehrs- und Transportmittel. Es ist kostengünstig, zuverlässig, für jeden zugänglich und erschwinglich. Übrigens – nicht nur in der Wüste, wie eine Autofahrt durch die Großstadt Jaipur zeigt!
Kameltour – Zelebrieren der Langsamkeit
Doch zurück zur Thar-Wüste. In der Wüstenstadt Jaisalmer werden Kamel- und Wüstentrekkings in der Thai-Wüste angeboten. Eine der Hauptattraktionen von Jaisalmer ist die Möglichkeit, Wüstensafaris unterschiedlicher zeitlicher Dauer zu unternehmen.
Wir buchten eine zweitägige individuell geführte Wüstentour. Die Übernachtung fand in einem am Rande der Wüste liegenden kleinen Oasen-„Resort“ statt. Wie es sich gehört, parkten wir unseren weißen Ambassador ordentlich direkt vor dem Eingang.
Unsere kleine Gruppe schält sich am nächsten Morgen bereits bei Sonnenaufgang aus den gnadenlos unbequemen Nomaden-Betten. Während wir das einfache Frühstück Chai-Tee auf einem Ofen mit offenem Feuer zu uns nehmen, werden die Kamele gesattelt.
Leider wird unser Aufbruch unsanft durch einen plötzlich einsetzenden starken Regenfall unterbrochen. Und wenn es hier regnet, dann richtig! Unsere Hütte drohte jedenfalls regelrecht abzusaufen.
Gleich neben unserem Zimmer sehen wir zwei der typischen, runden Häuser, in denen die Menschen hier leben. Die meisten Hütten sind in diesem Stil gebaut und sehr klein. Gedeckt sind sie mit Gräsern und Stauden.
Mittlerweile wird es recht kalt. So hatten wir uns die Wüste eigentlich nicht vorgestellt, zumal wir bewußt außerhalb der Monsunzeit (Juni bis September) hierher reisten!. Aber wir machten gute Mine zum bösen Spiel und warteten erst mal das Ende des Regenschutts ab.
Nachdem sich der Regen gelegt hatte, werden unsere Dromedare gezäumt und los geht’s.
Vorbei an flacheren Dünen und und kleinen notdürftigen Beduinenbehausungen mitten durch den Sand, es gibt keine befestigte Strasse.
Die Dörfer der Thar bestehen aus meist nur wenigen einfachen Lehmhäusern (Jhumpa), die oft mit Naturfarben bemalt sind. Unsere kleine Kamelkarawane bewegte sich gemächlich durch den weichen Sand …
… und die sanften Bewegungen des Kamels lassen einen die Wüste auf eine ganz neue Weise erleben.
Die Geräusche der Wüste – das sanfte Schaben der Kamelfüße im Sand und der gelegentliche, heute recht kalte Wind, der über die flachen Dünen streicht – schaffen eine Atmosphäre der Ruhe und Abgeschiedenheit. Nur gelegentlich schaute aus der recht monochromen Wüste etwas Grün hervor.
Auch wenn die Sonne an diesem Tag nicht mehr so richtig scheinen bzw. durch den Nebel dringen will, werden wir dennoch von einem seltenen, ja geradezu spektakulären Naturphänomene belohnt.
Denn als Folge des Regens wird die Wüstenlandschaft durch den entstandenen Nebel in ein weiches, ja geradezu mystische Licht getaucht. Ein nach Aussage unseres ortsansässigen Führers recht seltens Phänomen.
Es geht weiter in gemächlichem Schritt zu einer kleinen Thar-Siedlung. Die lebenswichtigen Brunnen der Thar liegen meist außerhalb der Dörfer und werden jeden Morgen und Abend von den Frauen besucht, wobei sie die schweren Metallgefäße auf dem Kopf tragen.
In den Dörfern der Thar ist noch wenig vom modernen Indien zu spüren, das erfolgreich Raketen zum Mars schickt. Wie wir auf unserer ganzen Rajasthan-Tour beobachten konnten, gilt auch hier: In der trockenen, sandbraunen Wüstengegend blühen vor allem die Frauen in all ihrer Farbenpracht!.
Die Männer sind für die Tiere zuständig. Im Vergleich zu anderen orientalischen Steppen weist die Viehzucht in der Thar eine bemerkenswerte Vielfalt an verschiedenen Tierarten auf, darunter Rinder, Büffel, Ziegen, Schafe, Esel und Kamele. In geringerer Anzahl sind auch Pferde vertreten. Die Viehzucht ist lebenswichtig als Produzent von Dünger für die Landwirtschaft. Der Verkauf von Vieh stellt die hauptsächliche Lebensgrundlage dar.
Fazit
Eine Kameltour durch in die Wüste Thar ermöglicht es den Teilnehmern, sich von der Hektik des gerade in den größeren Stadten Rajasthans enervierenden Lärms zu lösen und den ruhige, stillen Charme der Wüstenlandschaft zu erleben.
Nur auf einem Kamel bzw. alternativ auch Pferd kann man die Wüste in deren eigenem Rhytmus genießen. Die gemächliche Fortbewegung auf dem Kamel ermöglicht auch für “Stadtmenschen” eine tiefgehendere Verbindung mit der Landschaft und Einblick in die noch traditionellen Lebensweise der Thar-Wüstenbewohner. Zumal gerade hier in dem ariden Rajasthan die Nutzung von Kamelen als Fortbewegungsmittel noch sehr häufig anzutreffen ist.
Das ist wahrer “Slow Tourism”, also ein entschleunigtes, bewusstes Reisen, bei dem man sich Zeit nimmt, um die Kultur, Natur und lokale Gemeinschaften eines Reiseziels intensiv und nachhaltig zu erleben
© Text & Fotos: Jörg Baston