Tiao Nith von Laos: “Prinz” der Vergangenheit

Tiao Nith, einst Mitglied der laotischen Königsfamilie, lebt heute ein höchst bescheidenes Leben. Mit dem Sturz der Monarchie 1975 verlor der Prinz seinen Titel und alle Privilegien. Doch dank ihm hat ein kostbares Kulturgut jener Zeit die politischen Turbulenzen überdauert: die fantastische Kunst der königlichen Goldstickerei. Unter der Marke „Memoires of Gold“ stellt er seine Werke aus. Ich habe ihn in seinem Privathaus in Luang Prabang besucht.

Geboren am 28. August 1958 in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, entstammt Tiao Nith (mit vollem Namen Tiao Nithakhong Somsanith) der Vizekönigslinie des ehemaligen laotischen Lan-Xang-Königreichs. Seine Kindheit verbrachte er in der luxuriösen Umgebung des Königshofs – eine Welt, die für immer vergangen ist. Nach der Abschaffung des Königshauses und der Entmachtung seiner Familie floh er zunächst nach Frankreich.

Heute lebt er wieder in seiner alten Heimat Luang Prabang, völlig zurückgezogen in einer winzigen Hütte, die kaum schlichter sein könnte. Sein Alltag spielt sich in einem einzigen kleinen Raum ab, der zugleich Schlafzimmer, Wohnzimmer und Esszimmer ist.

Doch Tiao Nith sieht diese stark reduzierte Lebensweise nicht als tiefen Fall. „Es ist, wie es ist“, erklärt er meiner Freundin Alexandra und mir, während er uns durch sein bescheidenes „Reich“ führt.


Politischer Hintergrund

Sein Vater, Tiao Somsanith, diente als Kriegsberater des Königs und Premierministers des Königreichs Laos. Sein Großvater väterlicherseits, Tiao Khamman Vongkot, war Hofhistoriker. Diese vergilbten Fotos sind Zeugen der Vergangenheit.

Doch was geschah in jener Zeit, dass der junge Prinz fliehen musste? Ein Blick auf den geschichtlichen und politischen Hintergrund: Bis 1975 war Laos eine konstitutionelle Monarchie. Die Königsfamilie residierte in Luang Prabang, das als kulturelles Herz des Königreichs galt. Hier sehen Sie ein, zwei Überbleibsel aus der von Wohlstand und Prestige geprägten royalen Zeit (gesichtet vor dem Restaurant “3 Nagas”!)

Doch nach dem Zweiten Weltkrieg und der französischen Kolonialzeit geriet das Land in die Wirren des Kalten Krieges. Die kommunistischen Pathet-Lao-Truppen gewannen zunehmend an Macht und stürzten 1975 die Monarchie. Laos wurde zur Demokratischen Volksrepublik erklärt, die Königsfamilie entmachtet, und die neue Regierung begann, alle Spuren der Monarchie systematisch zu tilgen.

Titel und Privilegien wurden abgeschafft, und bis heute lehnt Tiao Nith den Gebrauch seines früheren Prinzentitels ab. Alles, was an die “royale Zeit” erinnert, wird in Luang Prabang negiert. Fragt man zum Beispiel nach dem einstigen “Königspalast”, so gibt einem keiner Auskunft. Er wird heute nur noch als “Nationalmuseum” bezeichnet – ein Symbol für das ausradierte Erbe der Königszeit.


Das Leben von Tiao Nithakhong Somsanith

Dieser Mann ist eine wahrhaft faszinierende Persönlichkeit mit einem bemerkenswerten Lebensweg. In den 1960er Jahren, als Tiao in Luang Prabang aufwuchs, war er von höfischen Künsten umgeben: Malerei, Lackkunst, Blumenarrangements sowie Stickerei. Obwohl diese Arbeiten traditionell als Frauenhandwerk galten, lernte er die Kunst der Stickerei von seiner Mutter und Großmutter.

Nach seiner Flucht nach Frankreich in den 1980er Jahren machte Tiao Nith seinen Master-Abschluss am Institut für Bildende Künste der Universität Orléans und promovierte zunächst in Psychologie an der Sorbonne. 2005 kehrte er nach Laos zurück und widmet sich seither der Bewahrung, Förderung und Weitergabe des kulturellen und künstlerischen Erbes seines Landes. Dazu gehört auch Textilkunst und insbesondere die detailreiche Stoffverzierung mit Goldfäden, Perlen und  Pailletten.

Tiao Nith selbst perfektionierte sein Stick-Talent, und seine Fertigkeiten brachten ihm schließlich den Rang eines „mo“ ein: eines Experten für Gold- und Silberstickerei. In der Ruhe seiner Hütte widmet er sich Tag und Nacht dieser traditionellen Kunstform, die er unter dem Label “Memoires of Gold” wiederbelebt hat.

Diese Kunstwerke sind nicht nur prachtvolle Handarbeiten, sondern auch ein stiller Protest gegen das Vergessen der Geschichte und Kultur von Laos.

Früher, am laotischen Königshof, schmückten Stickereien dieser Art Zeremonialgewänder, Thronsitze und Wandbehänge und zeigten prunkvolle Ornamente, die Eleganz und Macht verkörpern. Diese hat der Künstler quasi “neu aufgelegt”, wie man hier sehen kann.

Viele Stickereien zeigen aber auch ikonische buddhistische Motive, zum Beispiel die klassischen Lotuspflanzen, Dharma-Räder, Pagoden oder mythologische Wesen. Besonders hervorzuheben sind auch Tiaos kunstvolle Darstellungen von Blüten, Blättern, Vögeln und anderen Elementen aus der Natur.

Edle Stickereien auf getrockneten Blättern, die die Vergänglichkeit des Lebens symbolisieren, sind das Markenzeichen von “Memoires of Gold” geworden. Diese Kombination aus künstlerischer Meisterschaft, traditionellen Techniken und moderner Interpretation hat Tiao Nithakhong Somsanith international bekannt gemacht.

In den letzten Jahrzehnten wurden seine Werke in Ländern wie Frankreich, Deutschland, England, Italien, Spanien, Schweden, den Niederlanden und den USA ausgestellt. Doch was ihn persönlich traurig macht: Sämtliche alte Traditionen sind durch die Abschaffung der Monarchie weitgehend in Vergessenheit geraten oder werden bis heute bewusst marginalisiert.

“In diesem Spannungsfeld sehe ich meine Aufgabe”, erklärt uns Tiao Nithakhong Somsanith zum Abschied: “Ich möchte das kulturelle Erbe meiner Familie bewahren und in eine neue Zeit führen”. Deshalb engagiert sich der ehemalige “Prinz von Laos” verstärkt in Bildungsprogrammen, um die traditionellen laotischen Künste, die einst eng mit dem Königshof verbunden waren, an kommende Generationen weiterzugeben.


© Text & Fotos: Nathalie Gütermann


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