Ban Xang Khong (1): Das Dorf der Seidenweber
„Ban Xang Khong“, ein kleines Dorf etwa 5 km östlich von Luang Prabang, ist berühmt für sein traditionelles Kunsthandwerk. Neben „Saa-Papier“ stellen die Dorfbewohner seit Generationen wunderschön handgewebte Seidenprodukte her. Die hochwertigen Seidenprodukte wie Stoffe, Schals und Kleidung werden auch international geschätzt.
Das “Dorf der Seidenweber” ist von Luang Prabang aus bequem mit dem Tuk-Tuk erreichbar. Wer die Umgebung lieber zu Fuß erkunden möchte, kann entlang des malerischen Nam-Khan-Flusses spazieren – allerdings sollte man dafür etwa zwei Stunden Gehzeit einplanen.
Ich entscheide mich für eines der knallbunten Dreiräder, denn wie in Thailand macht das Fahren mit dem Tuk-Tuk einfach Spaß. Die rund 15-minütige Fahrt führt über holprige Wege mitten aufs Land.
Das Weberdorf Ban Xang Khong ist von zahlreichen Maulbeerbäumen umgeben, deren Blätter an die Seidenraupen verfüttert werden. Von der Aufzucht der Raupen über das Spinnen des Fadens bis hin zum Färben und Weben der Stoffe wird hier alles von Hand gemacht. Auf dem gleichen Gelände befinden sich auch Werkstätten für Saa-Papier, hergestellt aus Maulbeerfasern, siehe hierzu Teil 2. Wir bleiben zunächst bei den Textilien.
Seide war über Jahrhunderte hinweg ein Symbol für Wohlstand und Status, das vor allem bei königlichen Zeremonien und religiösen Anlässen eine zentrale Rolle spielte.
Zurück zu den Wurzeln
Besonders die „Lao-Tai-Kultur“ hat die Kunst der Seidenweberei entscheidend geprägt.
Die Lao Tai sind eine ethnolinguistische Gruppe mit Ursprung in Südchina, die für ihre reiche Handwerkskunst bekannt ist. Neben der weltberühmten Seide aus Thailand zählt auch die Seide aus Laos zu den edelsten handgefertigten Textilien der Welt. Sie besticht durch feine, detailreiche Muster, leuchtende Farben und die Verwendung natürlicher Farbstoffe.
Königlicher Besuch
Ban Xang Khong war einst ein bedeutendes Zentrum für die Herstellung von Textilien und Papierprodukten, die für den Königshof in Luang Prabang gefertigt wurden. Besonders die fein gewebten Stoffe aus diesem Dorf erlangten Berühmtheit, und viele Royals aus den Nachbarländern ließen sich während ihrer Besuche in Laos die feinsten Stoffe weben.
Hier ein Foto von Prinzessin Chakra Sirindhorn, der Tochter des verstorbenen Königs Bhumbibol von Thailand, bei einem ihrer Besuche.
Herstellungsprozess von Seide
In Ban Xang Khong haben Besucher die Gelegenheit, die traditionellen Webtechniken hautnah zu erleben, die seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Mein Tipp: Planen Sie für diesen Ausflug genügend Zeit ein, um die Atmosphäre des „Silk & Paper Village“ in vollen Zügen zu genießen. Ein paar Stunden sollten es schon sein!
Gemütlich schlendern wir durch die kleinen Gassen, vorbei an Shop-Häusern und Ateliers. Überall kann man die feinen Textilien bestaunen und den Weberinnen über die Schulter schauen.
Grundsätzlich ist die Seidenherstellung ein komplexer Prozess, der viel Geduld und Geschick erfordert. Sie beginnt mit dem Anbau von Maulbeerbäumen, deren Blätter den Seidenraupen als Nahrung dienen. Die Raupen spinnen Kokons, deren Fäden durch vorsichtiges Kochen gelöst werden. Ein einziger Kokon kann bis zu 900 Meter feinen Seidenfaden liefern.
Indigo: Ein blaues Wunder
Dieser Faden wird dann mit natürlichen Farbstoffen aus Pflanzen, Blüten, Früchten oder Rinden in leuchtenden Farben gefärbt. Hier auf dem Bild ist es „Indigo“, eine tiefblaue Farbe, die aus Pflanzen gewonnen und oft für rituelle Kleidung verwendet wird. Im Ban Xang Khong wird der Indigo noch aus der Indigopflanze „Indigofera tinctoria“ gewonnen, die vor allem in Indien angebaut wird.
Die Indigo-Pflanze enthält “Indican”, das zunächst durch Gärung in Indoxyl umgewandelt werden muss. Während des Färbevorgangs wird der Faden oder Stoff zunächst gelb, dann grün, und erhält erst bei der Oxidation an der Luft einen satten, blauen Farbton. Nach dem Färben wird das Material ausgewrungen, in riesigen Wasserbecken in einer Seifenlauge durchgespült…
… und anschließend auf Stangen an der Luft getrocknet. Heutzutage wird Indigo fast ausschließlich auf synthetischem, chemischem Weg hergestellt.
An dieser Stelle ließe sich endlos über die industriellen Färbemethoden und die dabei eingesetzten Schadstoffe wie Bakterizide, Formaldehyd, Weichmacher, Epoxidharze, Imprägniermittel und Dispersionsfarbstoffe diskutieren. Deshalb ein Hoch auf die umweltfreundliche Herstellung und die Verwendung von natürlich gewonnenen Pflanzenfarben in Luang Prabang.
Die Technik des präzisen Färbens vor dem Weben erzeugt einzigartige Muster und gilt als Markenzeichen der laotischen Seide.
Webkunst vom Feinsten
Schließlich verarbeiten lokale Kunsthandwerkerinnen die Seidenfäden auf traditionellen Holzwebstühlen zu Seiden- und Baumwollstoffen. Wir haben dabei zugesehen und wurden überall herzlich begrüßt.
Eine der beliebtesten Techniken ist das „Ikat“. Bei dieser alten Web- und Stofffärbetechnik werden die Fäden vor dem eigentlichen Weben so eingefärbt, dass beim Weben unterschiedliche, oft sehr kunstvoll arrangierte Muster. Dabei sind nicht nur verschiedene Farben möglich, sondern auch Abschnitte, die absichtlich ungefärbt bleiben, um den Kontrasten mehr Ausdruck zu verleihen.
Sicher ist: Ikat erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Geschick und Präzision, denn es handelt sich um ein äußerst kompliziertes Verfahren.
Die Garne werden zunächst zu Bündeln zusammengefasst und an bestimmten Stellen mit Wachs oder ähnlichen Schutzmaterialien behandelt. Diese Bereiche nehmen später keine Farbe auf. Anschließend werden die Bündel mit farbigen Baumwollfäden umwickelt und fest verknotet.
In Laos sind die Ikat-Muster so vielfältig wie das Land selbst. Sie variieren je nach Region und ethnischer Gruppe und umfassen geometrische, florale und oft hochkomplexe Designs. Diese haben meist eine tiefere Bedeutung. Sie symbolisieren häufig spirituelle Werte, Schutz, Glück oder andere kulturelle Motive und machen Ikat-Textilien zu mehr als nur dekorativen Stoffen.
Die Herstellung von Ikat-Stoffen erfordert besonders viel Geschick und Geduld. Jede Phase, vom Färben bis zum Weben, wird von Hand ausgeführt und verlangt ein tiefes Verständnis für das Zusammenspiel von Farben und Mustern.
Die traditionelle Ikat-Weberei in Laos wurde übrigens von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt, denn speziell diese gewebten Produkte zeichnen sich durch ihre Qualität und die Verwendung natürlicher Farbstoffe aus. Dies unterstreicht die Bedeutung dieser Handwerkskunst für das kulturelle Erbe des Landes.
Seide-, Baumwolle- und Ikat-Weberei ist somit nicht nur ein Symbol für die kreative Schaffenskraft der laotischen Gemeinschaften, sondern auch ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität und ihres kulturellen Ausdrucks.
Läden für handgefertigte Textilien
In Ban Xang Khong gibt es neben den zahlreiche Werkstätten auch Shops, in denen die die traumhaften Produkte angeboten werden. Hier lädt mich der Sohn einer Ladenbesitzerin zu einem Rundgang ein, um sein “Reich” zu besichtigen.
Der Kauf vor Ort unterstützt die lokale Gemeinschaft und bewahrt dieses traditionelle laotische Kunsthandwerk. Und: Jedes Stück ist ein Unikat und trägt die Handschrift der Weberin.
Ein typisches Produkt, das in Ban Xang Khong angeboten wird, ist der „Sinh“, ein traditioneller Wickelrock aus aufwendig gewebter Seide , der von laotischen Frauen zu besonderen Anlässen getragen wird. Auch bei Hochzeiten und Zeremonien ist Seide ein wichtiger Bestandteil, etwa als Teil von Mitgiften oder Opfergaben.
Bei Touristen besonders beliebt sind die handgewebten Seidenschals und Tücher. Kein Wunder, denn ihre zarten Farben und eleganten Muster sind wirklich eine Augenweide!
Auch Heimtextilien aus Seide wie Kissenbezüge, Tischdecken und Vorhänge aus Ikat sind eine einzigartige Möglichkeit, ein Stück Laos in die eigenen vier Wände zu holen.
Fazit
Ban Xang Khong ist ein wunderbares Ziel für alle, die authentische Einblicke in das lokale Leben und traditionelle Handwerkskunst suchen. Vor allem die Weberinnen, die mit beeindruckendem Geschick und spürbarer Leidenschaft ihre Kunst ausüben, haben mich tief beeindruckt.
Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, ein paar der handgefertigten und zugleich erschwinglichen, seidigen „Andenken“ aus dem Weberdorf mit nach Hause zu nehmen. Ein kleines Stück Laos für meine Familie, meine Freunde – vor allem aber für mich selbst.
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann
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